Seitenübersicht

Der Landtag 1970-1974 (7. Legislaturperiode) < >

Sitzungsdauer: 03.12.1970-29.10.1974
Volkmar Gabert
Volkmar Gabert
1970, Fotografie
© Bayerischer Landtag, München

Mit 56,4% der Stimmen feiert die CSU bei der Landtagswahl am 22. November 1970 einen triumphalen Sieg. 124 Mandate bedeuten eine deutliche absolute Mehrheit für die schon bisher allein regierenden Christsozialen. Die SPD verliert Stimmen und kommt auf 33,3% (70 Mandate), während der FDP der Sprung in den Landtag nach vierjähriger Pause wieder gelingt (5,5% und 10 Mandate). Erfreut zeigen sich alle Beobachter über die Marginalisierung der NPD (2,9%), die den erneuten Einzug ins Parlament verpasst. Die Wahlen werden allgemein vor dem Hintergrund des "Machtwechsels" in Bonn und der damit verbundenen neuen Ost- und Deutschlandpolitik kommentiert, die von der CSU abgelehnt wird.
Am 3. Dezember 1970 wird Rudolf Hanauer (CSU) wieder zum Präsidenten des Landtags gewählt. Wenige Tage später wird Alfons Goppel (CSU) vom Landtag im Amt des Ministerpräsidenten bestätigt. Die Regierungsbildung wird vom Amtsverzicht des bisherigen Kultusministers Ludwig Huber überlagert, der künftig nur noch als CSU-Fraktionschef im Parlament wirkt. Sein Nachfolger wird der parteilose, nicht mit einem Mandat versehene Professor Hans Maier, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München Politikwissenschaft lehrt. Außerdem schafft Goppel mit dem Ministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen ein neues Ressort.
Die Regierungserklärung vom 27. Januar 1971 lässt die verschärfte Tonlage in den gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen erkennen: Goppel warnt davor, dass die Bundesrepublik ein "sozialistischer Staat" werden könne, was Entrüstung bei den Oppositionsfraktionen hervorruft. Daneben stehen fast traditionsgemäß die Themen Wirtschaft und Bildung im Zentrum der Ausführungen des Regierungschefs. Darüber hinaus kündigt Goppel weit reichende Reformen der kommunalen Gliederung Bayerns an.
An der Gesetzgebungstätigkeit des Landtags während der 7. Legislaturperiode wird deutlich, wie sehr die Themen Bildung und Hochschule inzwischen die politische Debatte und das öffentliche Bewusstsein beherrschen: Das Gesetz über das berufliche Schulwesen (17. Mai 1972) löst die Regelung von 1953 ab; im Juli 1972 werden die Kindergärten auch offiziell Teil des Bildungswesens und auf ein vom Staat garantiertes finanzielles Fundament gestellt; die Pädagogischen Hochschulen werden in die Universitäten integriert (12. Juli 1972); ein Bayerisches Hochschulgesetz wird nach jahrelanger Diskussion realisiert (28. November 1973); ebenso beschlossen wird ein Gesetz zur Förderung der Erwachsenenbildung (26. Juni 1974); die Lehrerbildung wird am Ende der Wahlperiode auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt (17. Juli 1974) und schließlich einigt man sich auch über die Errichtung einer Beamtenfachhochschule (17. Juli 1974).
Vielen Beschlüssen gehen kontroverse Diskussionen und harte Auseinandersetzungen voraus; zahlreiche Gesetzesvorhaben werden gegen das geschlossene Votum der Opposition realisiert. Dies zeigt die Härte der bildungspolitischen Konfrontationen der 1970er Jahre.
Im Mittelpunkt der Landtagsdebatten stehen in dieser Legislaturperiode noch zwei weitere Themen. Die im Parlament hitzig diskutierte Regierungsverordnung zur Landkreisreform in Bayern wird am 15. Dezember 1971 gebilligt und tritt am 1. Juli 1972 in Kraft. Das Konzept des Innenministers Bruno Merk (CSU) ist zunächst auch in der eigenen Partei umstritten. Die SPD stellt ihm einen eigenen Gesetzentwurf entgegen, wonach sowohl die Bezirke als auch die Landkreise in ihrer bisherigen Form aufgelöst und durch 18 Verwaltungseinheiten ersetzt werden sollen. Obwohl das Merk-Konzept wesentlich vorsichtiger mit den bestehenden Strukturen umgeht, sorgt doch die Reduzierung von Landkreisen und kreisfreien Städten für Unruhe.
Ein weiterer Anlass politischer Konfrontation ist die von der Regierungsmehrheit am 24. Februar 1972 beschlossene Änderung des Rundfunkgesetzes. Mit der Vergrößerung des Rundfunkrats nimmt auch der parteipolitische Einfluss zu. Während die CSU auf die Praxis in anderen Bundesländern verweist, fürchtet die Opposition eine einseitige Dominanz der Regierungspartei. Auch die Einwände des Senats weist der Landtag am 1. März 1972 mit den Stimmen der CSU zurück.
Schon bald formiert sich jedoch eine weit über das Parlament hinausgehende Gegeninitiative, die ein Volksbegehren auf den Weg bringt. Im Juli 1972 wird dieses erfolgreich abgeschlossen: 13,7% der Wahlberechtigten sprechen sich für den Entwurf der Gegner der Gesetzesnovelle aus. Inzwischen dreht sich der Streit um die Frage, ob die Gesetzesnovelle einen privatrechtlich organisierten Rundfunk ermöglichen könnte. Im Dezember 1972 wird das Volksbegehren von der Landtagsmehrheit als "rechtsungültig" eingestuft, gleichzeitig will die CSU-Mehrheitsfraktion aber mit einer eigenen Vorlage für den Volksentscheid auf Nummer sicher gehen.
In diesem Stadium des Konflikts zeichnet sich hinter den Kulissen eine Kompromisslösung ab, die im Mai 1973 zum Tragen kommt. Mit großer Mehrheit beschließt der Landtag eine Verfassungsergänzung, die die Freiheit des Rundfunks garantiert. Am 1. Juli 1973 stimmt in einem Volksentscheid eine breite Mehrheit zu.
In demselben Volksentscheid stimmt das bayerische Volk einer Wahlrechtsänderung zu: Demnach wird die bisher geltende Zehnprozent-Hürde auf Wahlkreisebene (Regierungsbezirksebene) durch eine Fünfprozent-Klausel ersetzt, die nun landesweit gilt.
Insgesamt lässt sich an der Vielzahl der verabschiedeten Gesetze in dieser Legislaturperiode erkennen, wie groß der Reformstau in Bayern geworden war, der nun politisch aufgearbeitet wird.

Peter Jakob Kock, Der Bayerische Landtag. Eine Chronik. Würzburg 1996, S. 185-213.

Gesetzgebung:

14.07.1971: Landtagsdebatte über die Situation an den Universitäten in Zusammenhang mit den Störungen durch linke Studentengruppen
02.12.1971: Festakt im Plenarsaal zum 25-jährigen Bestehen des Bayerischen Landtages
25./26.01.1972: 16-stündige Debatte über die Ostverträge der sozialliberalen Koalition in Bonn
13.09.1972: Innenminister Merk unterrichtet den Sicherheitsausschuss im Landtag über den Polizeieinsatz im Zusammenhang mit dem Attentat auf die israelische Olympiamannschaft in München
05.04.1973: Gerichtsorganisationsgesetz: Die Bezirke der Amtsgerichte werden mit den neu geschaffenen Landkreisen zur Deckung gebracht
23.05.1973: Bayerisches Abfallgesetz
07.06.1973: Denkmalschutzgesetz
17.07.1973: Gesetz über den Schutz der Natur, die Pflege der Landschaft und die Erholung in der freien Natur
18.12.1973: Rettungsdienstgesetz
18.12.1973: Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Staatsregierung: Die nebenamtlichen Einkünfte aus Vorstands- und Aufsichtsratstätigkeiten für Regierungsmitglieder werden beschränkt
23.04.1974: Personalvertretungsgesetz für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst
29.05.1974: Krankenhausgesetz
24.09.1974: Mittelstandsförderungsgesetz
24.09.1974: Waldgesetz: Der Schutz des Waldes wird besonders betont

Die Mitglieder des Landtages:

Präsidium
Präsident: Hanauer, Rudolf
1.Vizepräsident: Rothemund, Dr. Helmut
2.Vizepräsident: Nüssel, Simon
Pöhner, Dr. Konrad (ab 08.12.1970)
1.Schriftführer: Schmidramsl, Hanns Martin
2.Schriftführer: Sonntag, Karl
3.Schriftführer: Zenz, Hermann
4.Schriftführer: Rupp, Ludwig
Wagner, Richard (ab 19.02.1974)
5.Schriftführer: Schlittmeier, Dr. Andreas
6.Schriftführerin: Schleicher, Marielies
Abgeordnete
CSU
Christlich Soziale Union
Altenhöfer, Ludwig
Asenbeck, Nikolaus
Bachmann, Rudolf
Bauer, Josef
Bäuerlein, Marita
Beck, Adolf
Berghofer-Weichner, Mathilde
Breitner, Peter
Bundschuh, Waltraud
Daum, Rudi
Dick, Alfred
Diethei, Paul
Dietz, Ernst
Drachsler, Hans
Dürbeck, Hermann
Eberhard, Rudolf
Eisenmann, Hans
Fendt, Georg
Feneberg, Josef
Feury, Otto Freiherr von
Fickler, Jakob
Fink, Hugo
Fischer, Max
Freyberg, Georg Freiherr von
Gaßner, Alfons
Gastinger, Wilhelm
Geiss-Wittmann, Maria
Gerstl, Max
Glück, Alois
Glück, Gebhard
Goppel, Alfons
Grafberger, Rudolf
Gruber, Franz
Hanauer, Rudolf
Handlos, Franz
Harrer, Friedrich
Held, Philipp
Helmschrott, Josef
Heubl, Franz
Hillermeier, Karl
Hofmann, Herbert
Höpfinger, Stefan
Huber, Herbert
Huber, Herbert
Huber, Ludwig
Hundhammer, Richard
Jaumann, Anton
Kaffl, Renate
Kaps, Peter
Keßler, Richard
Kiesl, Erich
Kluger, Rudolf
Knipfer, Hermann
Krinner, Ida
Krug, Franz
Lang, August Richard
Lauerbach, Erwin
Lechner, Ernst
Lechner, Ewald
Leeb, Hermann
Leicht, Justin
Lucke, Willi
Lukas, Hans
Maurer, Hans
Merk, Bruno
Merkt, Hans
Messner, Roland-Friedrich
Meyer, Albert
Meyer, Otto
Möslein, Siegfried
Müller, Werner
Müller, Willi
Neubauer, Franz
Niedermayer, Josef
Nüssel, Simon
Pirkl, Fritz
Pöhner, Konrad
Pölnitz, Gudila Freifrau von
Popp, Hans
Praml, Heinrich
Prümmer, Franz von
Rau, Hans
Ritter, Ludwig
Röhrl, Wilhelm
Rosenbauer, Heinz
Rost, Sieghard
Rupp, Ludwig
Sackmann, Franz
Sauer, Erich
Schäfer, Karl
Schäffer, Alfons
Schedl, Otto
Schick, Franz
Schleicher, Marielies
Schmidhuber, Heinrich
Schmidramsl, Hanns Martin
Schnell, Elisabeth
Schnell, Peter
Scholl, Georg
Schön, Karl
Schosser, Erich
Seidl, Alfred
Seitz, Erwin
Speth, Friedrich
Staudacher, Anton
Stein, Erwin
Streibl, Max
Stuhlberger, Matthias
Tandler, Gerold
Tauber, Hans
Vollkommer, Philipp
Vorndran, Wilhelm
Vöth, Reinhold
Wacher, Gerhard
Wagner, Hans
Wagner, Richard
Weiß, Ingo
Weißkopf, Friedrich
Wengenmeier, Richard
Widmann, Peter
Wiederer geb. Hummel, Maria
Wiesheu, Otto
Wilhelm, Paul
Will, Christian
Winkler, Wilhelm
Winklhofer, Hans
Wösner, Hermann
Wünsche, Paul
Zeißner, Walter
Zenz, Hermann
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Adametz, Rudolf
Adelmann, Kurt
Albrecht, Heinrich
Bauer, Walter, Alois
Binder, Michael
Blasy, Adalbert Peter
Böddrich, Jürgen
Börner, Alfred
Brunner, Adalbert
Cremer, Friedrich
Degen, Anton
Dittmeier, Josef
Drexler, Ferdinand
Eberle, Rudolf
Erhard, Martin
Essl, Erwin
Fink, Otto
Fröhlich, Friedrich Karl
Gabert, Volkmar
Geiser, Martin
Gentner, Fritz
Gerstl, Alfons
Glotz, Peter
Gradl, Josef
Güthlein, Herbert
Haase, Horst
Härtl, Adolf
Hartmann, Edi (Eduard)
Heiden, Leonhard
Hendrikoff, Nikolaus Graf
Hochleitner, Anton
Höllrigl, Hans
Hößl, Max
Irlinger, Willy
Jaud, Ludwig
Kahler, Otto
Kamm, Bertold
Kaub, Reinhold
Kick, Franz Wilhelm
Klasen, Sepp
Koch, Albert
Kolo, Hans
Kronawitter, Georg
Kuhbandner, Valentin
Langenberger, Rolf
Laufer, Gerda
Meyer, Helmut
Moser, Willibald
Müller, Richard
Naumann, Hans-Günter
Rothemund, Helmut
Rummel, Oskar
Schaller, Gabriel
Schlittmeier, Andreas
Schmolcke, Joachim
Schneider, Alfons
Schneider, Wilhelm (Willi)
Schneier, Heinrich
Schnell, Heinrich
Schöfberger, Rudolf
Schraut, Ludwig
Schwabl, Ludwig
Seibel-Emmerling, Lieselotte
Soldmann, Oskar
Sommer, Alfred
Sonntag, Karl
Stamm, Nikolaus
Stechele, Josef
Stenglein, Heinrich
Strohmayer, Max (ab 1970)
Syring, Hans-Willi (Austritt am 04.04.1972)
Truchseß von und zu Wetzhausen, Volker Freiherr
Weber, Fritz
Weich, Georg
Weishäupl, Karl
Welsch, Louis
Wernitz, Axel
Westphal, Hedwig
Wirth, Günter
Wolfer, Rudolf
Zeitler, Erich
Zink, Peter
FDP
Freie Demokratische Partei
Bezold, Otto
Flath, Fritz
Guhr, Herbert
Hamm-Brücher, Hildegard
Heinrich, Artur
Jaeger, Hans-Jürgen
Rothgang-Rieger, Anna
Syring, Hans-Willi (ab 17.01.1973)
Wachter, Winfried
fraktionslos Syring, Hans-Willi (04.04.1972-17.01.1973, davor SPD, dann FDP)

Minister / Kabinette:

Kabinett Goppel III (08.12.1970-12.11.1974)
Ministerpräsident: Goppel, Dr.h.c. Alfons (CSU)
Staatsminister der Finanzen und zugl. stv. Ministerpräsident (bis 22.02.1972): Schedl, Dr. Otto (CSU)
Staatsminister der Justiz und zugl. stv. Ministerpräsident (ab 22.02.1972): Held, Dr. Philipp (CSU)
Staatsminister des Innern: Merk, Dr. Bruno (CSU)
  Staatssekretär: Kiesl, Erich (CSU)
Staatsminister der Justiz: Held, Dr. Philipp (CSU)
  Staatssekretär: Bauer, Josef (CSU)
Staatsminister für Unterricht und Kultus: Maier, Prof.Dr.Dr. Hans (CSU)
  Staatssekretär: Lauerbach, Erwin (CSU)
Staatsminister der Finanzen: Schedl, Dr. Otto (CSU) (bis 22.02.1972)
Huber, Dr. Dr. Ludwig (CSU) (ab 22.02.1972)
  Staatssekretär: Hillermeier, Dr. Karl (CSU)
Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr: Jaumann, Anton (CSU)
  Staatssekretär: Sackmann, Franz (CSU)
Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Eisenmann, Dr. Hans (CSU)
  Staatssekretär: Nüssel, Simon (CSU)
Staatsminister für Arbeit und Sozialordnung: Pirkl, Dr. Fritz (CSU)
  Staatssekretär: Vöth, Reinhold (CSU) (bis 24.10.1972)
Vorndran, Dr. Wilhelm (CSU) (ab 24.10.1972)
Staatsminister für Bundesangelegenheiten: Heubl, Dr. Franz (CSU)
Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen: Streibl, Dr. Max (CSU)
  Staatssekretär: Dick, Alfred (CSU)

Wahlergebnisse:

 

Protokolle:

Auf der Website des Bayerischen Landtags finden Sie die Sitzungsprotokolle dieser Legislaturperiode.

> zur Liste der Protokolle (externer Link in neuem Fenster)

 

Zurück