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Sitzungsdauer: 01.02.1819-25.07.1819
Schützenscheibe auf die Eröffnung der ersten Ständeversammlung des Königreichs Bayern am 4. Februar 1819
Schützenscheibe auf die Eröffnung der ersten Ständeversammlung des Königreichs Bayern am 4. Februar 1819
Öl / Holz, 104 x 129cm
© Digitalbild: Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg

Die in der Verfassung von 1818 festgelegte Ständeversammlung tagt erstmals am 4. Februar 1819. Versammlungsort ist der ehemalige Redoutensaal des neu umgebauten Ständehauses in der Prannergasse 19–20 (heute zerstört) in München.


Die Eröffnung des ersten Landtags vollzieht sich unter großer Anteilnahme der Bevölkerung. Nachdem am Vortag in allen Pfarrkirchen und in der Hofkirche St. Michael feierliche Gottesdienste abgehalten worden sind, fährt der König in einem achtspännigen Galawagen und mit großem Gefolge durch ein Spalier von Soldaten zum Landtagsgebäude. Dort wird er von den (schon zuvor gewählten bzw. ernannten) Präsidenten beider Kammern in Begleitung von je sechs Reichsräten bzw. Abgeordneten empfangen. Sobald der König den Saal betritt, erheben sich alle von den Plätzen. Der König setzt sich auf seinen Thron; auf ein Zeichen von ihm nehmen alle Platz. Nun wird die Thronrede verlesen - von ihm oder von einem Minister. Indem der König persönlich zum Landtag kommt, erweist er ihm Ehre; das wird deutlich, als 1842 König Ludwig I. aus Verärgerung über den Landtag die Reichsräte und Abgeordneten zur Eröffnung der Sitzungsperiode in die Residenz beordert.
Nach der Verlesung der Thronrede und der Dankadressen beider Kammern erfolgt der Eid auf die Verfassung, den 1819 alle, später nur die neuen Kammermitglieder abzulegen haben. Ein Teil der katholischen Geistlichkeit und der katholischen Mitglieder in beiden Kammern werden erst mit Hilfe des päpstlichen Nuntius dazu gebracht, den Schwur auf die Verfassung abzulegen; sie hätten sonst den Landtag verlassen müssen. Später - 1821 - betont der König in seiner "Tegernseer Erklärung", dass sich der Verfassungseid nur auf die bürgerlichen Verhältnisse, nicht auf geistliche Verpflichtungen beziehe.
Der König akzeptiert die Personen, denen die Kammer der Abgeordneten die meisten Stimmen bei der Wahl des Ersten und Zweiten Präsidenten gegeben hat: Erster Präsident wird der konservative Sebastian Frhr. Schrenck von Notzing (bis 1837 stets wieder mit diesem Amt betraut), Zweiter Präsident wird Dr. Johann Michael Seuffert, ein Vertreter des gemäßigten "Beamtenliberalismus".
Die Verfassungsorgane müssen den Umgang miteinander lernen. Die Abgeordneten fühlen sich gekränkt, weil der König in seiner Thronrede sie als "Gehilfen der Regierung" bezeichnet und weil die Kammer der Reichsräte in ihrer Dankadresse sich selbst als "Damm" zum Schutze des Königs erklärt. Und den Reichsräten gefällt es nicht, dass der König von sich aus den Präsidenten ihrer Kammer ernennt (Feldmarschall Karl Fürst Wrede, der dieses Amt bis 1838 ausübt).
Die Abgeordneten erhalten ihren Platz durch das Los zugewiesen, um Gruppenbildungen zu unterbinden. Ihre Plenarsitzungen sind in der Regel öffentlich (die Kammer der Reichsräte folgt dem erst 1848). Die Regierung achtet daher sehr darauf, dass Plenumssitzungen an der kurzen Leine geführt werden, um unerwünschte Äußerungen zu vermeiden. Sie wehrt sich insbesondere gegen unliebsame Forderungen wie die nach Pressefreiheit oder nach Vereidigung der Armee auf die Verfassung mit dem Argument, dies überschreite die Kompetenz der Kammer. Die Ausschüsse, von denen es in jeder Kammer sechs reguläre gibt (Gesetzgebung, Steuern, innere Verwaltung, Staatsschuldentilgung, Beschwerden, Prüfung der Anträge von Mitgliedern) tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit; daher kann dort offener gesprochen werden.
Als die Höhe der Staatsverschuldung bekanntgegeben wird, ist die Öffentlichkeit alarmiert; die Abgeordneten verlangen Sparsamkeit. Die Behandlung finanzieller Themen ist besonders konfliktreich: Soll die Ständeversammlung auch die Etatzahlen vor 1818 erfahren? Hat sie Anspruch auf Vorlage der Originalrechnungen? Bedarf der Staatsetat in allen Einzelposten der Zustimmung des Landtags oder darf dieser nur die nötigen Steuern bewilligen, um die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu decken? Darf der Landtag über den Heeresetat befinden? Wenn ja, muss dabei die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden? Und was ist mit den von der Regierung angeführten militärischen Verpflichtungen Bayerns gegenüber dem Deutschen Bund?
Gerade im Hinblick auf die Debatte über den Heeresetat stellt die Regierung den "Geist der Widerspenstigkeit" fest; erste Überlegungen über eine Aufhebung der Verfassung werden angestellt. Der zuständige Ausschuss der Abgeordnetenkammer lenkt insofern ein, als er für die Deckung der von ihm für überflüssig gehaltenen Militärausgaben eine Steuer auf Luxusgüter in Aussicht stellt. Die Kammermehrheit akzeptiert weitgehend die Haushaltsansätze der Regierung und kürzt auch den Militäretat nur geringfügig. Die Kammer der Reichsräte lehnt jede Kürzung im Militäretat ab. Der Knoten wird vorläufig gelöst, indem der König erklärt: er wolle prüfen lassen, ob der reduzierte Militäretat genüge, um die bayerischen Verpflichtungen gegenüber dem Deutschen Bund einzuhalten; wenn nicht, wolle er die fehlende Summe "aus dem eigenen Militärfonds" hinzufügen lassen.
Die Regierung (und ein Teil der Öffentlichkeit) ist gereizt, nicht zuletzt wegen der Detailliertheit, mit der manche Abgeordneten das Verwaltungsgebaren des Staates kritisch betrachten. Die radikalliberalen, besonders angriffslustigen Abgeordneten wie der Professor der Rechte Wilhelm Joseph Behr und der Bamberger Bürgermeister Franz Ludwig (v.) Hornthal repräsentieren jedoch keineswegs die Kammermehrheit. Ein anderer Teil der Öffentlichkeit ist enttäuscht, weil die Steuern nicht gesenkt und keine Impulse für Wirtschaftswachstum gegeben werden.
Der König verwahrt sich in seinem (Landtags-)Abschied vom 22. Juli 1819 gegen Beschlüsse der Abgeordneten, denen eine "auf die Erweiterung des durch die Verfassungsurkunde bezeichneten ständischen Wirkungskreises gerichtete Absicht zu Grunde liegt", womit er z.B. das von der Abgeordnetenkammer beanspruchte Recht auf Gesetzesinitiative oder den Entwurf der Kammer zu einer Instruktion an die Zensurbehörde meint. Insbesondere prangert er "die verfassungswidrigen Verwahrungen" an, "welche sich einzelne Mitglieder der Zweiten Kammer gegen verfassungsmäßig zustande gekommene oder noch erst zu fassende Beschlüsse im Namen einzelner Kreise und selbst der Nation einzulegen erlaubt haben", und "jenen unbemessenen (= maßlosen) Tadel der Regierung, worin Abgeordnete sich zu gefallen schienen".
Schließlich tadelt er, dass die Abgeordneten die Regierungsvorlage zum Hypothekengesetz auf die lange Bank geschoben hätten. Auf der anderen Seite lobt er beide Kammern für die zustande gekommenen Gesetze und stellt als Ideal "verfassungsmäßiges, gemeinschaftliches Zusammenwirken der Stände...mit den obersten Regierungsorganen" auf.
Wie wenig die Kammer der Abgeordneten einen Konfliktkurs gegenüber dem König gesteuert hat, geht daraus hervor, dass der Antrag auf Vereidigung des Militärs auf die Verfassung im Plenum mit 100 zu 1 Stimme abgelehnt wird. Anträge der Abgeordneten zur Neuordnung des Justizwesens (Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Verfahren, Geschworenengerichte, Trennung von Justiz und Verwaltung) scheitern schon an der Kammer der Reichsräte, welche die adlige Gerichtsbarkeit bedroht sieht.
Der Landtag endet am 25. Juli in einer allgemeinen Missstimmung. Die Schließung des Landtags ist zwar ebenso ein Staatsakt wie die Eröffnung, wird aber mit geringerem protokollarischem Aufwand vollzogen. Es wird zur Tradition, dass der König sie nicht persönlich vollzieht, sondern den Thronfolger oder einen anderen Prinzen damit beauftragt.

Götschmann, S. 333-398; zu den Wahlen: S. 97-145; Weis, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV/1. S. 124 ff.; Hartmann, S. 376 ff.; Treml, in: Geschichte des modernen Bayern, S. 42 f.

Gesetzgebung:

Gesetze:
- Budget (mit Einschränkung hinsichtlich des Militärbudgets)
- Gerichtsordnung
- Gemeindeumlagen
- Schuldentilgungsplan
- Zollgesetz
Nicht zustande gekommene Gesetze:
- Hypothekengesetz
Abgelehnte Anträge und Initiativen der Kammer der Abgeordneten:
- Zensurgesetz
- Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtsprechung
- Geschworenengerichte, Trennung von Justiz und Verwaltung

Die Mitglieder des Landtages:

Präsidium Kammer der Abgeordneten
1.Präsident: Schrenck von Notzing, Sebastian, Freiherr
2.Präsident: Seuffert, Dr. Johann Michael, von
1.Sekretär: Häcker, Franz Joseph
2.Sekretär: Mehmel, Prof.Dr. Gottlieb Ernst August
Präsidium Kammer der Reichsräte
1.Präsident: Wrede, Karl Philipp, Fürst von
2.Präsident: Schönborn-Wiesentheid, Franz Erwein Damian Joseph, Graf von
1.Sekretär: Leyden, Clemens, Graf von
2.Sekretär: Mühle-Eckart, Wilhelm Karl Joseph, Graf von
Abgeordnete
Abgeordnete (120) Abendanz, Franz Joseph
Abt (Abbt), Benedikt
Adolay, Johann Kaspar
Anns, Johann Wilhelm von
Aretin, Johann Christoph Freiherr von
Baumann, Gottfried
Behr, Wilhelm Joseph
Bestelmeyer, Johann Georg
Bibra, Ludwig Karl Gottlob Freiherr von und zu Irmelshausen
Blass, Leonhard
Buchauer, Johann Georg
Clarus, Ernst Anton
Closen, Karl Ferdinand Freiherr von
Dahlem, Christian
Dangel, Christoph Franz von
Dietrich, Carl Anton
Dorfner, Martin
Dros, Johann Michael
Egger, Carl Borromäus
Eggstein, Franz Anton
Faßmann, Adam von
Fitting, Herrmann
Frank, Joseph Freiherr von
Funck, Johann Christoph
Fürst, Michael
Graf, Heinrich Maria
Grandauer, Anton
Gravenreuth, Carl Ernst Freiherr von
Gruber, Georg Joseph
Gruber, Johann
Guttenberg, Friedrich Karl Ludwig Freiherr von und zu
Häcker, Franz Joseph
Haffner, Martin
Hartmann, Xaver
Hauser, Anton
Heckel, Franz de Paula
Heydekamp, Joseph von
Heynitz, Friedrich Gottlieb Benno Freiherr von
Hilpoltsteiner, Joseph
Hilz, Franz Xaver
Hoffmann, Peter
Hofstetten, Anton Friedrich von
Hölzel, Nikolaus
Horn, Philipp Freiherr von
Hornthal, Franz Ludwig von
Höss, Franz Anton
Ibel, Franz
Jänisch, Wilhelm
Keller, Ludwig
Kiendl, Georg
Klein, Mathäus
Köster, Karl August
Kraft, Christian Friedrich
Kretz, Johann
Kurz, Anton
Lindner, Johann Georg
Löwel, Heinrich Karl
Magold, Maurus
Mayerhofen, Maximilian Joseph Edler von
Mehmel, Gottlieb Ernst August
Merkel, Anton Michael
Merkel, Paul Wolfgang
Miedel, Christoph
Neubauer, Johann
Notthafft, Carl Philipp Sigismund Franz de Paula Cajetan Freiherr von Weißenstein
Oerthel, Georg Friedrich von
Pabst, Georg Friedrich
Pelkhoven, Johann Nepomuk Freiherr von
Pfister, Sebastian
Popp, Johann Adam
Poschinger, Georg Benedikt Ritter von
Preysing, Karl Graf von, Freiherr von Altenpreysing gen. Kronwinkl
Rettig, Franz Daniel
Reuter, Johann Martin
Reuthner, Georg Leonhard
Rieder, Georg Karl
Roth, Georg Friedrich
Rottmanner, Karl
Ruepprecht, Johann Georg Ludwig Freiherr von
Schaezler, Johann Lorenz Freiherr von
Scheuchenpflug, Mathias
Schilcher, Matthias von
Schmerold, Ignaz
Schmid, Alois
Schmitt, Philipp von
Schnitzer, Franz
Schoppmann, Johann Jakob
Schrank, Georg
Schrenck von Notzing, Sebastian Freiherr
Schultz, Georg Friedrich Wilhelm
Sedelmaier, Ignaz
Seidel, Gotthold Emanuel Friedrich
Seuffert, Jakob
Seuffert, Johann Michael von
Socher, Joseph
Stephani, Karl Heinrich
Stöber, Franz Kaspar
Stolle, Georg Christoph
Streber, Alois von
Sturz, Christian
Trott, Johann Friedrich Florian
Turban, Veit
Utzschneider, Joseph Ritter von
Volkert, Georg Karl Friedrich
Wachter, Tobias von
Walther, Johann Daniel
Walther, Johann Salomon
Wankel, Michael Konrad von
Weber, Johann Georg
Weinbach, Georg Wilhelm Freiherr von
Weinzierl, Lorenz
Weiss, Johann Ludwig Philipp
Welser, Paul Karl Freiherr von
Wieninger, Franz Xaver
Wieninger, Georg
Windisch, Johann
Witschel, Johann Heinrich Wilhelm
Zächerl (Zacherl), Franz Xaver
Zenger, Joseph
Zimmer, Patrizius Benedikt
Reichsräte (47) Arco-Valley, Carl Maria Rupert Graf von
Bayern, Carl Theodor Maximilian Prinz von
Bayern, Ludwig I. Kronprinz, später König von
Bayern, Pius Herzog in
Bayern, Wilhelm Herzog in
Bray-Steinburg, Franz Gabriel Graf von
Castell-Castell, Friedrich Ludwig Graf zu
Deroy, Franz Graf von
Franckenstein, Friedrich Carl Freiherr von und zu
Fugger von Babenhausen, Anselm Maria Fürst
Fugger zu Glött, Josef Sebastian Graf von
Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn, Friedrich Johann Nepomuk Graf von
Fugger zu Kirchheim, Josef Hugo Graf von
Fugger zu Nordendorf, Karl Anton Graf von
Gebsattel, Lothar Karl Anselm Joseph Freiherr von
Giech, Hermann Graf zu
Gienanth, Ludwig Freiherr von
Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, Franz Josef Fürst zu
Keßling, Carl Ludwig Freiherr von
Leuchtenberg, Eugène de Beauharnais Prinz
Leyden, Clemens Graf von
Löwenstein-Wertheim-Freudenberg, Friedrich Karl Gottlob Fürst von
Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, Carl Ludwig Constantin Fürst zu
Mandl von Deutenhofen, Johann Anton Freiherr von
Montgelas, Maximilian Graf von
Mühle-Eckart, Wilhelm Karl Joseph Graf von
Oettingen-Wallerstein, Ludwig Fürst von
Ortenburg-Tambach, Joseph Karl Leopold Friedrich Ludwig Graf zu
Pappenheim, Carl Theodor Friedrich Graf von
Preysing auf Hohenaschau, Johann Maximilian V. Graf von
Preysing zu Moos, Johann Caspar Graf von
Raglovich, Clemens von
Rechberg und Rothenlöwen, Aloys Franz Xaver Graf von
Rechteren und Limpurg, Reinhard Burkart Graf von
Sandizell, Cajetan Peter Graf von und zu
Schönborn-Wiesentheid, Franz Erwein Damian Joseph Graf von
Seckendorf, Carl August Freiherr von
Stauffenberg, Clemens Wenzeslaus Graf Schenk von
Stubenberg, Joseph Graf von
Thurn und Taxis, Carl Alexander Fürst von
Thurn und Taxis, Maximilian Carl Heinrich Joseph Graf von
Toerring-Jettenbach und Guttenzell, Joseph August Graf von
Toerring-Seefeld, Clemens Graf von
Waldbott-Bassenheim, Friedrich Karl Graf von
Wrede, Karl Philipp Fürst von
Würtzburg, Johann Carl Philipp Freiherr von
Zentner, Georg Friedrich Freiherr von

Minister / Kabinette:

Minister
Staatsminister des Kgl. Hauses und des Äußern: Rechberg und Rothenlöwen, Aloys Franz, Graf von
Staatsminister des Innern: Thürheim, Friedrich, Graf von
Staatsminister der Justiz: Reigersberg, Heinrich Aloys, Graf von
Staatsminister der Finanzen: Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, Maximilian Emanuel, Graf von
Staatsminister der Armee: Triva, Johann Nepomuk, Graf von

Wahlergebnisse:

In der Frühzeit des Konstitutionalismus ist eine Darstellung der Wahlergebnisse nach Parteien nicht möglich. Es gibt keine festgefügten Parteien mit formeller Mitgliedschaft, Programm, Statuten und Vorstand. Politische Zusammenschlüsse dieser Art sind geradezu verboten. Es gibt auch keine festgefügten Fraktionen innerhalb des Parlaments. Die Herausbildung von Fraktionen wird absichtsvoll durch die dem Zufall überlassene Sitzordnung behindert.
Es gibt nur allgemeine Parteirichtungen wie Liberale oder Konservative mit allen Zwischenstufen, wobei man einen bestimmten Abgeordneten in der Regel nicht eindeutig einer Richtung zuordnen kann. Viele Abgeordnete lassen sich bei ihrer Stimmangabe von ihrer Einschätzung der konkreten Frage leiten, um die es gerade geht. Das Hin- und Herschwanken der Abstimmungsergebnisse zeigt deutlich, dass sie nicht auf festgefügte Stimmblöcke, sondern auf individuelle Entscheidungen (einschließlich der Abwesenheit) zurückgehen. Im Übrigen gilt allgemein bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus: aus der Sicht der jeweiligen Regierung (bzw. des jeweiligen Königs) gibt es nur zwei "Parteien": Regierungstreue und Oppositionelle. Die Trennlinie zwischen beiden ist nicht identisch mit der zwischen Liberalen und Konservativen; Zeitgenossen erwähnen auch den Typ des "liberalen Servilen" (d.h. den Wünschen der Regierung willfährigen Liberalen) und des regierungskritischen Konservativen (aus welchen Motiven heraus auch immer). Schließen sich Abgeordnete zu einer Gruppe zusammen, dann eher informell und auf landsmannschaftlicher Basis, wobei die fränkischen und pfälzischen Abgeordneten eher auf der "linken" (liberalen bis radikalliberalen) Seite des politischen Spektrums stehen.
Von der Landtagswahl im Mai 1869 an werden hier die jeweiligen Wahlergebnisse der Parteien in Mandatszahlen sowie - wenn möglich - auch in Prozentzahlen der Wählerstimmen angegeben.

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