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2. Landtag: 1822 (1. Wahlperiode 1819-1825) < >

Sitzungsdauer: 21.01.1822-02.07.1822
Sitzungssaal der Kammer der Reichsräte
Sitzungssaal der Kammer der Reichsräte
Stich
© Bayerischer Landtag, München

Der Landtag von 1822 ist nicht besonders ertragreich. Auf Regierungsseite gibt es nach wie vor Kräfte, die gegen die Konstitutionelle Monarchie eingestellt sind (z.B. Außenminister Alois Graf von Rechberg), und das Ministerium ist sich über diverse Gesetzesvorlagen intern nicht einig. Der König will an der Verfassung festhalten, aber dem Landtag nur das an Rechten zugestehen, was die Verfassung ausdrücklich vorschreibt.
Die Kammer der Abgeordneten ist mehrheitlich bestrebt, die Regierung nicht zu provozieren. Die Abgeordneten zeigen ihr Wohlverhalten, indem sie die gleichen Personen zum Ersten und Zweiten Präsidenten wählen, die 1819 bereits die Zustimmung des Königs gefunden haben (Sebastian Freiherrn Schrenck von Notzing und Johann Adam Seuffert); insbesondere Schrenck versteht es, im Sinne der Regierung Diskussionen so zu lenken oder Anträge so zu unterbinden, dass die führenden oppositionellen Abgeordneten (z.B. Franz Ludwig von Hornthal) nicht allzu viel Gelegenheit haben, die Regierung anzugreifen.
Ferner verhalten sich die Abgeordneten im Sinne der Regierung, indem sie mit 83 gegen 25 Stimmen dem Ausschluss des linksliberalen Wilhelm Joseph Behr zustimmen. Behr, der 1818 als Vertreter der Universität von Würzburg in den Landtag gewählt wurde, ist zwischenzeitlich auch zum 1. Bürgermeister von Würzburg gewählt worden. Die Regierung bestätigt diese Wahl, versetzt ihn aber als Professor in den einstweiligen Ruhestand; somit kann er nicht mehr die Universität vertreten.
In seiner Thronrede verweist der König darauf, dass er einen Wunsch des vorherigen Landtags in die Tat umgesetzt habe, indem er durch Verordnung die Einführung von "Landräten" (im Sinne eines gewählten, regionalen Gremiums) durchgeführt habe. Doch die Art der Institutionalisierung der Landräte findet herbe Kritik; Hornthal fordert, diesmal unterstützt von der Mehrheit, Landräte nach "Pfälzer" (also liberalem) Muster. Die Kammer der Reichsräte hält dagegen, die Landräte auf der Grundlage der königlichen Verordnung seien bereits "antikonstitutionell" und "demokratisch" (d.h., dass dabei die Interessen der großen Gutsbesitzer nicht genug berücksichtigt seien).
Die Regierung zieht es vor, die Verordnung nicht in Kraft zu setzen. Ferner kündigt der König einen Entwurf zu einem Strafgesetzbuch an, das aber nicht von diesem Landtag zu erledigen sei. Eine Reihe von Gesetzentwürfen solle die wirtschaftliche "Wohlfahrt" seines Volkes befördern: der im vorigen Landtag unerledigt gebliebene Entwurf eines Hypothekengesetzes sowie Entwürfe zur Förderung des Privatkredits und der Landwirtschaft ("Landescultur"), zu denen im weiteren Verlauf ein Entwurf zur Einführung einer Nationalbank hinzu kommt.
Von den Regierungsvorlagen ist nur dem Hypothekengesetz - nach Abänderungen, welche die Regierung akzeptiert - Erfolg beschieden. Die Nationalbank scheitert an den uneinheitlichen Vorstellungen der Abgeordneten. Das "Landeskulturgesetz" bleibt liegen; die Abgeordneten glauben, dass ihre Änderungswünsche ohnehin von der Regierung nicht angenommen würden. Erfolge für die Regierung stellen die von der Mehrheit angenommene Rechnungslegung des Finanzministers dar sowie die parlamentarische Zustimmung, dass der Staat die Schulden der ehemaligen Reichsstädte und reichsunmittelbaren Fürsten übernimmt; allerdings muss die Regierung ein Defizit von 5 Millionen Gulden eingestehen.
Im Parlament behandelte Anträge betreffen den Wunsch nach Einführung eines Zivilgesetzbuches und einer Zivilprozessordnung. Andere Anträge betreffen das Gewerbswesen, zumal die Wiedereinführung des Zunftzwangs. Dabei kommt es zu heftigen antisemitischen Äußerungen (z.B. gegen "jüdische Wucherer"); es werden aber auch Stimmen laut, die sich für bürgerliche Gleichstellung und eine Verbesserung der Lage der Juden einsetzen.

Götschmann, S. 399-429; Weis, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV/1, S. 124 ff.

Gesetzgebung:

Gesetze:
- Hypothekengesetz
- Rechnungslegung und Staatsausgaben seit 1819
- Übernahme der Schulden der ehemaligen Reichsstädte und reichsunmittelbaren Fürsten durch den Staat
Nicht zustande gekommene Gesetze:
- "Landesculturgesetz"
- Nationalbankgesetz

Die Mitglieder des Landtages:

 

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Präsidium Kammer der Abgeordneten
1.Präsident:Schrenck von Notzing, Sebastian, Freiherr
2.Präsident:Seuffert, Dr. Johann Michael, von
1.Sekretär:Häcker, Franz Joseph
2.Sekretär:Schultz, Dr. Georg Friedrich Wilhelm
Präsidium Kammer der Reichsräte
1.Präsident:Wrede, Karl Philipp, Fürst von
2.Präsident:Oettingen-Wallerstein, Ludwig, Fürst von
1.Sekretär:Leyden, Clemens, Graf von
2.Sekretär:Giech, Hermann, Graf zu

 

Abgeordnete
Abgeordnete (123)Abendanz, Franz Joseph 
Abt (Abbt), Benedikt 
Adolay, Johann Kaspar 
Anns, Johann Wilhelm von
Aretin, Johann Christoph Freiherr von
Baumann, Gottfried 
Bestelmeyer, Johann Georg 
Bibra, Ludwig Karl Gottlob Freiherr von und zu Irmelshausen
Blass, Leonhard 
Buchauer, Johann Georg 
Clarus, Ernst Anton 
Closen, Karl Ferdinand Freiherr von
Crailsheim, Franz Georg Freiherr von
Dangel, Christoph Franz von
Dargler (Darchler), Johann Jakob 
Dietrich, Carl Anton 
Dorfner, Karl Martin 
Dros, Johann Michael 
Egger, Carl Borromäus 
Fallot, Ernst Christian 
Faßmann, Adam von
Fitting, Herrmann 
Frank, Joseph Freiherr von
Frohn, Konrad 
Funck, Johann Christoph 
Fürst, Michael 
Geyer (Geier), Georg Franz 
Graf, Heinrich Maria 
Grandauer, Anton 
Gravenreuth, Carl Ernst Freiherr von
Gruber, Johann 
Günther, Johann 
Haas, Johann Wilhelm 
Häcker, Franz Joseph 
Haffner, Martin 
Hartmann, Xaver 
Hauser, Anton 
Heckel, Franz de Paula 
Heydekamp, Joseph von
Heynitz, Friedrich Gottlieb Benno Freiherr von
Hilz, Franz Xaver 
Hilz, Johann Nepomuk 
Hoffmann, Peter 
Hofstetten, Anton Friedrich Freiherr von
Hölzel, Nikolaus 
Horn, Philipp Freiherr von
Hornthal, Franz Ludwig von
Höss, Franz Anton 
Ibel, Franz 
Jacobi, Stephan 
Jänisch, Wilhelm 
Keller, Ludwig 
Kiendl, Georg 
Kirchdörfer, Johann Georg Wolfgang 
Klein, Mathäus 
Königsdorfer, Martin 
Köster, Karl August 
Kraft, Christian Friedrich 
Krauss (Kraus), Ludwig Friedrich Heinrich 
Kretz, Johann 
Kurz, Anton 
Lindner, Johann Georg 
Löwel, Heinrich Karl 
Magold, Maurus 
Mehmel, Gottlieb Ernst August 
Merkel, Anton Michael 
Merkel, Johann 
Miedel, Christoph 
Mühldorfer, Johann Baptist 
Neubauer, Johann 
Notthafft, Carl Philipp Sigismund Franz de Paula Cajetan Freiherr von Weißenstein
Oerthel, Georg Friedrich von
Pelkhoven, Johann Nepomuk Freiherr von
Pfister, Sebastian 
Popp, Johann Adam 
Poschinger, Georg Benedikt Ritter von
Preysing, Karl Graf von, Freiherr von Altenpreysing gen. Kronwinkl
Rettig, Franz Daniel 
Reuter, Johann Martin 
Riedel, Kaspar Anton 
Rieder, Georg Karl 
Röder, Johann Kaspar 
Roth, Johann Jakob 
Rottmanner, Karl 
Ruepprecht, Johann Georg Ludwig Freiherr von
Schack, Andreas 
Schaezler, Johann Lorenz Freiherr von
Scheuchenpflug, Mathias 
Schilcher, Matthias von
Schmerold, Ignaz 
Schmid, Alois 
Schmitt, Philipp von
Schnitzer, Franz 
Schoppmann, Johann Jakob 
Schrenck von Notzing, Sebastian Freiherr
Schultz, Georg Friedrich Wilhelm 
Seckendorff, Albrecht Christoph Freiherr von
Sedelmaier, Ignaz 
Seuffert, Jakob 
Seuffert, Johann Michael von
Socher, Joseph 
Steger, 
Stephani, Karl Heinrich 
Stöber, Franz Kaspar 
Stolle, Georg Christoph 
Streber, Alois von
Sturz, Christian 
Thomasius, Friedrich Christian 
Turban, Veit 
Utzschneider, Joseph Ritter von
Vögele, Joseph 
Volkert, Georg Karl Friedrich 
Wachter, Tobias von
Wankel, Michael Konrad von
Weber, Johann Georg 
Weickmann, Joseph von
Weinbach, Georg Wilhelm Freiherr von
Weinzierl, Lorenz 
Weiss, Johann Ludwig Philipp 
Wieninger, Franz Xaver 
Wieninger, Georg 
Zächerl (Zacherl), Franz Xaver 
Zenger, Joseph
Reichsräte (47)Arco-Valley, Carl Maria Rupert Graf von
Bayern, Carl Theodor Maximilian Prinz von
Bayern, Ludwig I. Kronprinz, später König von
Bayern, Pius Herzog in
Bayern, Wilhelm Herzog in
Bray-Steinburg, Franz Gabriel Graf von
Castell-Castell, Friedrich Ludwig Graf zu
Deroy, Franz Graf von
Franckenstein, Friedrich Carl Freiherr von und zu
Fraunberg, Joseph Maria Freiherr von
Fugger von Babenhausen, Anton Anselm Fürst
Fugger zu Glött, Josef Sebastian Graf von
Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn, Friedrich Johann Nepomuk Graf von
Fugger zu Kirchheim, Josef Hugo Graf von
Fugger zu Nordendorf, Karl Anton Graf von
Gebsattel, Lothar Karl Anselm Joseph Freiherr von
Giech, Hermann Graf zu
Gienanth, Ludwig Freiherr von
Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, Franz Josef Fürst zu
Keßling, Carl Ludwig Freiherr von
Leyden, Clemens Graf von
Löwenstein-Wertheim-Freudenberg, Friedrich Karl Gottlob Fürst von
Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, Carl Ludwig Constantin Fürst zu
Mandl von Deutenhofen, Johann Anton Freiherr von
Montgelas, Maximilian Graf von
Mühle-Eckart, Wilhelm Karl Joseph Graf von
Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg, Aloys Johann Fürst von
Oettingen-Wallerstein, Ludwig Fürst von
Ortenburg-Tambach, Joseph Karl Leopold Friedrich Ludwig Graf zu
Pappenheim, Carl Theodor Friedrich Graf von
Preysing auf Hohenaschau, Johann Maximilian V. Graf von
Preysing zu Moos, Johann Caspar Graf von
Raglovich, Clemens von
Rechberg und Rothenlöwen, Aloys Franz Xaver Graf von
Rechteren und Limpurg, Reinhard Burkart Graf von
Sandizell, Cajetan Peter Graf von und zu
Schönborn-Wiesentheid, Franz Erwein Damian Joseph Graf von
Seckendorf, Carl August Freiherr von
Stauffenberg, Clemens Wenzeslaus Graf Schenk von
Stubenberg, Joseph Graf von
Thurn und Taxis, Carl Alexander Fürst von
Toerring-Jettenbach und Guttenzell, Joseph August Graf von
Toerring-Seefeld, Clemens Graf von
Waldbott-Bassenheim, Friedrich Karl Graf von
Wrede, Karl Philipp Fürst von
Würtzburg, Joseph Franz Freiherr von
Zentner, Georg Friedrich Freiherr von

Minister / Kabinette:

Minister
Staatsminister des Kgl. Hauses und des Äußern:Rechberg und Rothenlöwen, Aloys Franz, Graf von
Staatsminister des Innern:Thürheim, Friedrich, Graf von
Staatsminister der Justiz:Reigersberg, Heinrich Aloys, Graf von
Staatsminister der Finanzen:Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, Maximilian Emanuel, Graf von
Staatsminister der Armee:Triva, Johann Nepomuk, Graf von

Wahlergebnisse:

In der Frühzeit des Konstitutionalismus ist eine Darstellung der Wahlergebnisse nach Parteien nicht möglich. Es gibt keine festgefügten Parteien mit formeller Mitgliedschaft, Programm, Statuten und Vorstand. Politische Zusammenschlüsse dieser Art sind geradezu verboten. Es gibt auch keine festgefügten Fraktionen innerhalb des Parlaments. Die Herausbildung von Fraktionen wird absichtsvoll durch die dem Zufall überlassene Sitzordnung behindert.
Es gibt nur allgemeine Parteirichtungen wie Liberale oder Konservative mit allen Zwischenstufen, wobei man einen bestimmten Abgeordneten in der Regel nicht eindeutig einer Richtung zuordnen kann. Viele Abgeordnete lassen sich bei ihrer Stimmabgabe von ihrer Einschätzung der konkreten Frage leiten, um die es gerade geht. Das Hin- und Herschwanken der Abstimmungsergebnisse zeigt deutlich, dass sie nicht auf festgefügte Stimmblöcke, sondern auf individuelle Entscheidungen (einschließlich der Abwesenheit) zurückgehen. Im Übrigen gilt allgemein bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus: Aus der Sicht der jeweiligen Regierung (bzw. des jeweiligen Königs) gibt es nur zwei "Parteien": Regierungstreue und Oppositionelle. Die Trennlinie zwischen beiden ist nicht identisch mit der zwischen Liberalen und Konservativen; Zeitgenossen erwähnen auch den Typ des "liberalen Servilen" (d.h. den Wünschen der Regierung willfährigen Liberalen) und des regierungskritischen Konservativen (aus welchen Motiven heraus auch immer). Schließen sich Abgeordnete zu einer Gruppe zusammen, dann eher informell und auf landsmannschaftlicher Basis, wobei die fränkischen und pfälzischen Abgeordneten eher auf der "linken" (liberalen bis radikalliberalen) Seite des politischen Spektrums stehen.
Von der Landtagswahl im Mai 1869 an werden hier die jeweiligen Wahlergebnisse der Parteien in Mandatszahlen sowie - wenn möglich - auch in Prozentzahlen der Wählerstimmen angegeben.

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