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7. Landtag: 1837 (4. Wahlperiode 1836-1839) < >

Sitzungsdauer: 02.02.1837-17.11.1837
Ludwig Fürst von Oettingen-Wallerstein
Ludwig Fürst von Oettingen-Wallerstein
1856, Lithografie, Künstler: H. Dragendorf
© Bayerischer Landtag, München

Der Landtag von 1837 geht aus Neuwahlen hervor, die in einem Umfeld von Unterdrückung jeglicher politischen Zusammenschlüsse und von strenger Ausübung der Zensur stattfinden und ganz im Sinne der Regierung ausfallen. Etwa die Hälfte der Abgeordneten sind Neulinge. Die Abgeordnetenkammer wählt ihre Präsidenten und besetzt ihre Ausschüsse letztlich gemäß der Wunschliste, die die Regierung "gutgesinnten" Abgeordneten zugesteckt hat.
Der König hält seine Thronrede kurz; er spricht vor allem wirtschaftliche Themen an: die Gründung der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank, die Fortschritte beim deutschen Zollverein und beim Bau des Donau-Main-Kanals sowie die Notwendigkeit von gesetzlichen Verbesserungen, damit insbesondere die Grundbesitzer leichter an Kredite kommen. Das wichtigste Thema dieses Landtags - das Budget für die nächsten sechs Jahre samt den Meinungsverschiedenheiten über die Tragweite des parlamentarischen Budgetrechts - bleibt unerwähnt.
Die eigentliche Auseinandersetzung um das parlamentarische Budgetrecht wird zunächst innerhalb des Regierungslagers ausgetragen: im Staatsrat. Dieser ist ein Gremium von Beratern des Königs, zu dem auch die Minister gehören. Der Staatsrat begutachtet alle Vorlagen an die Kammern sowie alle von den Kammern an den König herangetragenen Vorgänge; Repräsentanten des Staatsrats leisten die Gegenzeichnung zur Inkraftsetzung von königlichen Erlassen und Gesetzen.
Der Staatsrat beschäftigt sich am 14. Oktober 1837 mit der Frage, ob dem Landtag das Recht zustehe, die vom Finanzminister gemachten Ansätze zu den Einnahmen zu erhöhen sowie eigenmächtig Ausgaben festzusetzen. Alle in der Runde (einschließlich des Justizministers Schrenck, der gleichzeitig Präsident der Abgeordnetenkammer ist) stimmen der Meinung des Königs zu, dass die Ständeversammlung das nicht dürfe, denn diese habe nur das Recht zur Steuerbewilligung, nicht zur Ausgabenbewilligung. Nur der leitende Minister, Innenminister Fürst zu Oettingen-Wallerstein, widerspricht und weist auf die Praxis seit 1819 und auf das verfassungsmäßige "Prüfungsrecht" der Stände als Grundlage für die Steuerbewilligung hin. Er ergänzt, dass die Budgetansätze Richtlinien und nicht zwingend vorgeschriebene Maßregeln seien und auch vom Parlament so verstanden würden; somit werde der Handlungsspielraum der Regierung nicht eingeschränkt.
Die Abgeordneten ändern wenig an den Gesamtzahlen des Haushalts, dafür um so mehr innerhalb der Einzeletats; sie bestehen auch auf Einbeziehung der "Erübrigungen" (eingesparte Ausgaben, über deren Verwendung der König allein entscheiden will). Dieses Vorgehen bejahen einstimmig alle 102 anwesenden Abgeordneten als rechtens, darunter Friedrich Julius Stahl, Professor für Staatsrecht an der Universität Würzburg und späterer Exponent des preußisch-protestantischen Konservativismus, der sich ab 1848 um die Zeitschrift "Kreuzzeitung" schart. Nachdem ihn der bayerische König wegen seines Verhaltens in der Kammer gerügt hat, folgt er einem Ruf des preußischen Königs an die Universität Berlin.
Nun hängt alles an der Kammer der Reichsräte. Bei Beginn der Debatte spricht Oettingen-Wallerstein im gleichen Sinne wie im Staatsrat; Finanzminister Ludwig von Wirschinger widerspricht ihm im Sinne des Königs. Die Kammer der Reichsräte entscheidet sich mit großer Mehrheit gegen die Verfassungsauslegung des Königs und für die von den Abgeordneten abgeänderte Vorlage des Finanzrahmengesetzes (und damit für die Wahrung ihres eigenen Budgetrechts), auch ohne sich allen Einzeländerungen der Abgeordneten anzuschließen. Zu dieser Mehrheit gehört auch Prinz Karl, der Bruder des Königs.
Kernpunkt des königlichen Landtags-Abschieds stellt die Ablehnung der Abänderungen bei Einnahmen und Ausgaben seitens beider Kammern dar. Der König stellt fest, dass das von den Ständen beschlossene Budget gegen die Grundsätze eines geordneten Staatshaushalts verstoße, da Mehrbelastungen nicht berücksichtigt seien. Er verwahrt sich gegen den Eingriff in "verfassungsgemäße Regierungsrechte" bei den "Nachweisungen" (es geht um die "Erübrigungen", d.h. Minderausgaben), weist aber darauf hin, dass er schon früher deren Verwendung angegeben habe.
Der König entlässt Oettingen-Wallerstein aus dem Ministeramt unmittelbar nach Landtagsschluss.

Götschmann, S. 618-654; Kraus, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV/1, S. 215 f.

Gesetzgebung:

Gesetze:
- Finanzgesetz (d.h. Rahmengesetz für den Staatshaushalt)
-Verbesserung der Gerichtsordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (mit Ausnahme jener Anträge, die der König als ungeeignet, überflüssig oder außerhalb der Kompetenz des Landtages liegend erachtet)
- Verhütung ungleichförmiger Entscheidungen des obersten Gerichtshofs in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
- Zwangsabtretung von Grundeigentum für öffentliche Zwecke
- Abänderungen zum Landratsgesetz (die dazu gestellten Anträge werden vom König abgewiesen)
- Bestand und Wahl der Gemeinderäte im Rheinkreis
- Gemeindeumlagen im Rheinkreis
- Ausscheiden der Kreislasten von den Staatslasten
- Abänderung zum Zollgesetz (darunter auch Kammeranträge)
Nicht zustande gekommene Gesetze:
- Budgetgesetz (Ablehnung fast aller von beiden Parlamentskammern übereinstimmend eingefügten Abänderungen der Regierungsvorlage bei Einnahmen und Ausgaben)
- Gesetz zur Untersuchung und Bestrafung der geringeren körperlichem Misshandlungen

Die Mitglieder des Landtages:

Präsidium Kammer der Abgeordneten
1.Präsident: Schrenck von Notzing, Sebastian, Freiherr
2.Präsident: Seinsheim, Carl, Graf von
1.Sekretär: Windwart, Dr. Jakob, von
2.Sekretär: Willich, Dr. Friedrich Justus
Präsidium Kammer der Reichsräte
1.Präsident: Wrede, Karl Philipp, Fürst von
2.Präsident: Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg, Aloys Johann, Fürst von
1.Sekretär: Reigersberg, Heinrich Aloys, Graf von
2.Sekretär: Schenk, Dr. Eduard, von
Abgeordnete
Abgeordnete (138) Ammensdörfer, Friedrich
Anns, Johann Wilhelm von
Aufseß, Hans Philipp Werner Freiherr von und zu
Aumüller, Nikolaus
Bähr, Georg
Benzino, Ludwig Louis
Bestelmeyer, Johann Georg
Billmann, Rupert Wilhelm
Binder, Peter
Binner, Georg
Blass, Leonhard
Boeckh, Christian Friedrich
Briegleb, Johann Karl
Brunnbauer, Johann Baptist
Dall'Armi, Andreas von
Deuringer, Joseph Xaver
Deym Zu Arnstorf, Joseph Johann Nepomuck Wenzelslaus Graf von
Dippel, Andreas von
Dobeneck, Ludwig Friedrich Hans Karl Freiherr von
Dorn, Georg Ernst
Drechsel, Karl Joseph Graf von
Düring, Christoph
Ebenhöch, Franz Andreas
Eckert, Pankraz
Erthel, Friedrich
Eser, Johann Nepomuk
Faßmann, Adam von
Fischer, Anton von
Frankenberger, Joseph
Fraunhofen, Carl August Freiherr von und zu Alt-und Neufrauenhofen
Freyberg-Eisenberg, Maximilian Prokop Freiherr von
Friedrich (Friederich), Leonhard
Gack, Georg Christoph
Gademann, Christoph Friedrich
Gassner, Martin
Gletzle, Franz Xaver
Gmeiner, Lorenz
Gradl, Joseph
Haas, Ludwig
Haas, Nikolaus
Hagen, Erhard Christian von
Haller, Johhann Baptist
Harsdorf, Johann Karl Christoph Friedrich Freiherr von
Hartmann, Xaver
Heydenreich, Friedrich August
Hohenthanner, Franz
Holzschuher, Rudolph Sigmund Freiherr von
Hornthal, Johann Peter von
Hummel, Johann
Hutter, Joseph
Jacob, Nikolaus Johann
Jordan, Ludwig Andreas
Kaden, Stephan
Kapp, Georg Friedrich Wilhelm
Käser, Johann Baptist
Kellner, Rupert Edler von
Kempter, Franz Joseph
Kern, Johann Ludwig
Kober, Karl
Kolb, Gottfried
Korb, Karl von
Körblein, Markus
Köster, Karl August
Krappmann, Michael
Lanzer, Ignaz
Laubmann, Christian Gottfried
Lechner, Franz Xaver
Leybold, Johann Sebastian
Lösch, Gottlieb Karl August
Luginger, Anton
Maffei, Joseph Anton Ritter von
Mann, Christian Edler von Tiechler
Mauer, Valentin
Meyer, Joseph
Miller, Firmius
Moser, Martin
Moy De Sons, Ernst Freiherr von
Müller, Philipp David
Mussinan, Joseph Anton Ritter von
Neuland, Johann Adam
Niedermayer, Franz
Oettingen-Wallerstein, Karl Anselm Fürst von
Parth, Joseph Albin
Peckert, Joachim
Poschinger, Georg Benedikt Ritter von
Pummerer, Valentin Maximilian
Rabl, Georg
Rauh, Bonifaz
Rebmann, Johann Georg Friedrich
Reck, Johann Michael Freiherr von
Reindl, Johann Evangelist Ritter von
Reudelhuber, Johann Georg
Reuss, Lorenz
Reuthner, Georg Leonhard
Ringseis, Johann Nepomuk von
Rist, Bonifaz
Röder, Johann Kaspar
Rotenhan, Hermann Freiherr von
Rüffershöfer, Matthias
Sand, Johann Friedrich
Sartorius, Joseph
Schadt, Alois
Schaezler, Ferdinand Benedikt Freiherr von
Schäfer, Johann Christoph
Schaller, Johann Baptist
Schickendanz, Johann
Schmidt, Johann Jakob
Schneider, Heinrich
Schrenck von Notzing, Sebastian Freiherr
Schweymaier, Johann
Schwindl, Peregrin
Seewald, Philipp Wilhelm
Seinsheim, Carl Graf von
Sigmund, Johann Albrecht
Staedtler, Johann Friedrich
Stahl, Friedrich Julius
Steinacher, Sebastian
Stöcker, Georg Moritz
Stockinger, Georg Jakob
Suckart, Johann
Tann-Rathsamhausen, Heinrich Ferdinand Freiherr von und zu der
Tischer, Alois
Trautner, Friedrich
Urban, Johann Baptist
Utzschneider, Joseph Ritter von
Wachter, Tobias von
Weber,
Weinmann, Andreas Christoph
Weinzierl, Cölestin
Weis (Weiss), Franz Joseph
Welsch, Johann von
Werndle, Alois
Wiesend, Ambros
Willich, Friedrich Justus
Windwart, Jakob von
Wirth, Andreas
Wochinger, Joseph
Zinn, Christian Christoph
Reichsräte (51) Arco-Valley, Carl Maria Rupert Graf von
Arco-Valley, Maximilian Joseph Graf von
Arco-Zinneberg, Ludwig Aloys Graf von
Armansperg, Joseph Ludwig Graf von
Bayern, Carl Theodor Maximilian Prinz von
Bayern, Maximilian Herzog in
Bayern, Maximilian II. Kronprinz, später König von
Bayern, Pius Herzog in
Castell-Castell, Friedrich Ludwig Graf zu
Fraunberg, Joseph Maria Freiherr von
Freyberg-Eisenberg-Knöringen, Clemens Wenzeslaus Freiherr von
Fugger zu Glött, Fidelis Ferdinand Graf von
Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn, Friedrich Johann Nepomuk Graf von
Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn, Raimund Ignaz Graf von
Fugger zu Kirchheim, Josef Hugo Graf von
Fugger zu Nordendorf, Karl Anton Graf von
Gebsattel, Lothar Karl Anselm Joseph Freiherr von
Giech, Hermann Graf zu
Gravenreuth, Maximilian Joseph Graf von
Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, Franz Josef Fürst zu
Leiningen-Hartenburg, Carl Fürst zu
Leonrod, Carl Ludwig Freiherr von
Lotzbeck, Carl Ludwig Freiherr von
Löwenstein-Wertheim-Freudenberg, Carl Friedrich Fürst zu
Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, Carl Ludwig Constantin Fürst zu
Mandl von Deutenhofen, Johann Anton Freiherr von
Maurer, Georg Ludwig Ritter von
Montgelas, Maximilian Graf von
Niethammer, Friedrich Emanuel Freiherr von
Niethammer, Julius Adolph Freiherr von
Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg, Aloys Johann Fürst von
Oettingen-Oettingen und Oettingen-Wallerstein, Friedrich Fürst zu
Oettingen-Wallerstein, Ludwig Fürst von
Ortenburg-Tambach, Franz Karl Rudolph Graf zu
Pappenheim, Carl Theodor Friedrich Graf von
Preysing-Lichtenegg-Moos, Maximilian Joseph Franz Graf von
Rechberg und Rothenlöwen, Aloys Franz Xaver Graf von
Rechteren und Limpurg, Reinhard Burkart Graf von
Reigersberg, Heinrich Aloys Graf von
Richarz, Peter Ritter von
Roth, Karl Johann Friedrich Freiherr von
Sandizell, Cajetan Peter Graf von und zu
Schenk, Eduard von
Schönborn-Wiesentheid, Franz Erwein Damian Joseph Graf von
Seinsheim, August Karl Graf von
Stauffenberg, Franz Ludwig Graf Schenk von
Thurn und Taxis, Maximilian Karl Fürst von
Toerring-Guttenzell, Maximilian August Graf von
Wrede, Karl Philipp Fürst von
Würtzburg, Joseph Franz Freiherr von
Zandt, Maximilian Anton Friedrich Freiherr von

Minister / Kabinette:

Minister
Staatsminister des Kgl. Hauses und des Äußern: Gise, August, Freiherr von
Staatsminister des Innern (bis 04.11.1837): Oettingen-Wallerstein, Ludwig, Fürst von
Ministerverweser des Staatsministeriums des Innern (ab 04.11.1837): Abel, Carl August, von
Staatsminister der Justiz: Schrenck von Notzing, Sebastian, Freiherr von
Staatsminister der Finanzen: Wirschinger, Ludwig, Ritter von
Kriegsminister: Hertling, Franz Xaver, Freiherr von

Wahlergebnisse:

In der Frühzeit des Konstitutionalismus ist eine Darstellung der Wahlergebnisse nach Parteien nicht möglich. Es gibt keine festgefügten Parteien mit formeller Mitgliedschaft, Programm, Statuten und Vorstand. Politische Zusammenschlüsse dieser Art sind geradezu verboten. Es gibt auch keine festgefügten Fraktionen innerhalb des Parlaments. Die Herausbildung von Fraktionen wird absichtsvoll durch die dem Zufall überlassene Sitzordnung behindert.
Es gibt nur allgemeine Parteirichtungen wie Liberale oder Konservative mit allen Zwischenstufen, wobei man einen bestimmten Abgeordneten in der Regel nicht eindeutig einer Richtung zuordnen kann. Viele Abgeordnete lassen sich bei ihrer Stimmabgabe von ihrer Einschätzung der konkreten Frage leiten, um die es gerade geht. Das Hin- und Herschwanken der Abstimmungsergebnisse zeigt deutlich, dass sie nicht auf festgefügte Stimmblöcke, sondern auf individuelle Entscheidungen (einschließlich der Abwesenheit) zurückgehen. Im Übrigen gilt allgemein bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus: aus der Sicht der jeweiligen Regierung (bzw. des jeweiligen Königs) gibt es nur zwei "Parteien": Regierungstreue und Oppositionelle. Die Trennlinie zwischen beiden ist nicht identisch mit der zwischen Liberalen und Konservativen; Zeitgenossen erwähnen auch den Typ des "liberalen Servilen" (d.h. den Wünschen der Regierung willfährigen Liberalen) und des regierungskritischen Konservativen (aus welchen Motiven heraus auch immer). Schließen sich Abgeordnete zu einer Gruppe zusammen, dann eher informell und auf landsmannschaftlicher Basis, wobei die fränkischen und pfälzischen Abgeordneten eher auf der "linken" (liberalen bis radikalliberalen) Seite des politischen Spektrums stehen.
Von der Landtagswahl im Mai 1869 an werden hier die jeweiligen Wahlergebnisse der Parteien in Mandatszahlen sowie - wenn möglich - auch in Prozentzahlen der Wählerstimmen angegeben.

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