Der am 4. März 1848 noch von Ludwig I. auf den 16. März einberufene und am 22. März von König Maximilian II. - Ludwig I. war einen Tag zuvor zurückgetreten - wieder im Ständehaus eröffnete "Reformlandtag" ist noch die alte "Ständeversammlung". Einige Abgeordnete werden beurlaubt, um am Vorparlament in Frankfurt (ab 31. März) und am "Fünfzigerausschuss" teilnehmen zu können. Beurlaubungen, um an der Nationalversammlung (ab 18. Mai 1848) selbst teilnehmen zu können, lehnt die Abgeordnetenkammer jedoch ab. Angeblich kann man auf die Mitarbeit dieser Abgeordneten nicht verzichten; tatsächlich aber steht die Mehrheit des Landtags der "Paulskirche" skeptisch gegenüber.
Nach den Präsidentenwahlen in der Zweiten Kammer ernennt noch Ludwig I. die beiden Erstplatzierten zu Präsidenten: Karl Friedrich v. Heintz (der aber umgehend zurücktritt, da er Justizminister wird) und Karl Kirchgessner, einen liberalen Anwalt aus Würzburg. Die Ausschusswahlen ergeben Mehrheiten für gemäßigt Liberale und "Regierungstreue" konservativer Prägung; Radikalliberale bleiben eine kleine Minderheit. Präsident der Ersten Kammer bleibt nach dem Willen Ludwigs I. Fürst von Leiningen.
Die erste Thronrede des Königs Maximilian II. setzt ein Bekenntnis an den Anfang: "Ich bin stolz, mich einen konstitutionellen König zu nennen". Danach verkündet er eine Amnestie für alle politischen Delikte (hier wird er erstmals durch Hochrufe unterbrochen) und listet die Reformvorlagen auf, die er dem Landtag vorlegen will: Ministerverantwortlichkeit, Pressefreiheit, ein neues Wahlrecht, die Aufhebung der Grundherrschaft, neue Gesetze und Prozessordnungen.
Weitere Reformen sagt er zu, die aber erst später realisiert werden sollen: Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtsprechung, eine bessere Versorgung der Staatsdiener und deren Hinterbliebene sowie die Verbesserung der Rechtsstellung der Juden. Er verspricht die Aufhebung des Lottos (hier wird er zum zweiten Mal durch Hochrufe unterbrochen), sofern es die Staatsfinanzen erlauben. Ferner soll die Landwehrordnung zum Zwecke einer "zeitgemäßen Volksbewaffnung" umgearbeitet werden. Schließlich betont er, dass er die "innigere Vereinigung aller deutschen Stämme" unterstütze und sich deshalb für eine Volksvertretung beim Deutschen Bund eingesetzt habe. Zum Schluss ruft er die Bürger zur "Mäßigung" und zum "Fernhalten von auflösenden, zerstörerischen Tendenzen" auf.
Die sehr lange Adresse der Abgeordneten beginnt - nach einem Dank an Ludwig I. - mit einem Bekenntnis zur konstitutionellen Monarchie, welche gleichermaßen die Kron- wie die Volksrechte schütze. Dann ersucht die Kammer darum, die Amnestie auch auf bereits abgeschlossene Verfahren auszudehnen. Sie begrüßt die Reformvorhaben des Königs als "Vorboten einer besseren Zeit", mahnt aber weitere an: die Aufhebung der "schädlichen Jagdrechte" des Adels, Erlass neuer Waldnutzungsrechte, die den Interessen der Bauern und "der ärmeren Volksklassen" Rechnung tragen, Gewährleistung der Versammlungs-, Vereins- und Petitionsfreiheit und eine "gesetzliche Begrenzung der Polizeigewalt". Die geplante Landwehrreform mit "Volksbewaffnung" wird zum nationalen Bekenntnis stilisiert (Schutz des deutschen Vaterlands nach innen und außen, Vertretung deutscher Handelsinteressen im Ausland).
Schließlich beantragen die Abgeordneten, dass die Kammern das Initiativrecht auch für Verfassungsänderungen erhalten, dass Anträge der Kammern nicht erst am Schluss des Landtags beschieden werden, und dass die Finanzperioden - und damit der Zeitraum zwischen den Landtagen - verkürzt werden. Auch die Versorgung der Staatsdiener und der Armeeangehörigen (die nun auf die Verfassung vereidigt werden) sowie die Besserstellung der Juden im Sinne der Gleichheit vor dem Gesetz werden erwähnt. Die Adresse schließt mit dem Appell, überlebte Vorrechte dem wahren Wohl des Vaterlands zum Opfer zu bringen. Dieser richtet sich unausgesprochen vor allem an die Kammer der Reichsräte. Diese stimmt in ihrer Adresse ausdrücklich der Aufhebung der Grundherrschaft zu und betont, nicht Privilegien einzelner Stände, sondern die Interessen von Thron und Nation vertreten zu wollen.
Binnen 40 Tagen bringt die Regierung 21 Gesetzesvorlagen von fundamentaler Bedeutung ein, die in der Rekordzeit von 53 Sitzungen in nur 2 ½ Monaten beraten und verabschiedet werden. Darunter ist auch eine Gesetzesvorlage für die Wahl zum Paulskirchenparlament, welche das aktive und passive Wahlrecht im Vergleich mit dem bisherigen Landtagswahlrecht erheblich ausweitet. Ein Streitpunkt dabei ist, ob es sich um Wahlen "zur Volksvertretung beim Deutschen Bund" handelt (womit der 1815 von den Fürsten gegründete Deutsche Bund fortbestünde) oder um Wahlen "zur allgemeinen deutschen Volksvertretung" (die darüber entscheiden könne, in welcher Form sich die deutsche Nation zusammenschließe).
Der Regierungsentwurf zum neuen Landtagswahlrecht hebt nicht nur die Wahl nach Standesklassen auf, sondern auch den Zensus. In der Zweiten Kammer wird eine Redeschlacht ausgetragen zwischen jenen (meist besitzbürgerlich-liberalen) Abgeordneten, die das Wahlrecht auf "Selbstständige" beschränken oder wenigstens einen Zensus in Form einer Mindeststeuerleistung beibehalten wollen, und jenen wenigen, die jede Einschränkung ablehnen und so dem "vierten" Stand zu seinem Recht verhelfen wollen.
Im Folgenden werden die wesentlichen Reformgesetze in ihrer endgültigen Fassung vorgestellt:
1. Wahlrecht: Die Kammer der Abgeordneten wird zu einer repräsentativen Volksvertretung. Auf je 31.500 Einwohner kommt ein Abgeordneter, wobei die Regierung die Wahlkreise festlegt. Jede ständische Einteilung entfällt; daher wird nun auch die Bezeichnung "Ständeversammlung" durch "Landtag" ersetzt. Wählen kann grundsätzlich jeder volljährige Staatsbürger, der eine direkte Steuer zahlt, unabhängig von deren Höhe. Die Wahl erfolgt weiterhin indirekt und öffentlich. Erst 1881 wird das geheime Wahlverfahren eingeführt.
2.Ministerverantwortlichkeit: Verordnungen werden erst nach Gegenzeichnung durch einen Minister gültig. Es bleibt jedoch auch unter Max II. üblich, dass der König an seinen Ministern vorbei über sein persönliches Kabinettssekretariat Anordnungen trifft, für die der zuständige Minister vor dem Landtag gerade zu stehen hat.
3.Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit: Die (Vor-)Zensur wird abgeschafft, über Fälle von "Preßmißbrauch" entscheiden Gerichte; politische Vereine werden zugelassen.
4.Gesetzesinitiative: Jede Kammer kann Gesetze einbringen, allerdings mit Einschränkungen vor allem bei Verfassungsbeschränkungen und bei Rechten der Krone.
5.Abschaffung der Grundherrschaft und der adeligen Gerichtsbarkeit: Die Bauern erhalten das volle Eigentumsrecht an dem von ihnen bewirtschafteten Boden. Sie müssen allerdings dem bisherigen Grundherrn eine Ablösungssumme für die bisherigen Abgaben zahlen; diese Zahlung erfolgt ratenweise, was sich bis ins 20. Jahrhundert hinzieht. Da auch der Staat in großem Umfang Grundherrschaft ausübt, mindert deren Abschaffung die Staatseinnahmen erheblich; zusätzlich leistet er finanzielle Beiträge zur "Grundentlastung". Daher muss dem Staat eine neue Einnahmequelle erschlossen werden:
6. die Einkommensteuer aus Arbeitsverdienst und Kapitalrendite. Diese erhöht gleichzeitig die Zahl der Wahlberechtigten (wegen der direkten Steuerleistung).
7.Reform des Justizwesens: die Rechtsprechung erfolgt nun öffentlich und mündlich; die Richter werden unabsetzbar. Die Trennung von Justiz und Verwaltung auch auf der untersten Ebene wird beschlossen, aber erst 1861 durchgeführt.
Zur Landwehrordnung ist zu bemerken, dass die "Volksbewaffnung" nicht im Interesse des Monarchen liegen kann. Die Abgeordneten verzichten auf eine Reform der Wehrverfassung, weil sie eine gesamtdeutsche Regelung dieser Frage erwarten, welche die Nationalversammlung vorzunehmen hat.
Bei diesem Landtag zeigt sich, dass die Minister, wenn sie die Unterstützung des Landtags erhalten, dem König gegenüber nun sehr viel selbstbewusster auftreten können. Die wichtigsten Mitglieder des "Märzministeriums" - Innenminister v. Thon-Dittmer, Finanzminister Frhr. v. Lerchenfeld, Justizminister v. Heintz - waren zuvor Abgeordnete. Die neue Stellung der Minister zeigt sich auch darin, dass sie in Zivil und nicht in Uniform den Landtag betreten. Maximilian II. ist deshalb keineswegs begeistert von den "geradezu antimonarchischen Grundlagen" der Reformgesetze (so 1852); er wird versuchen, sie wieder rückgängig zu machen.
Im Landtagsabschied hebt Maximilian II. die Opfer hervor, welche die Krone, einzelne Stände und Körperschaften und die ganze Nation gebracht hätten, und drückt seine Anerkennung für die Art aus, wie die Landtagsmitglieder ihrer "eben so wichtigen wie schwierigen" Aufgabe nachgekommen seien. Wegen des neuen Wahlrechts wird der Landtag am 12.11.1848 aufgelöst; Neuwahlen werden angesetzt.
Götschmann, S. 785-879; Volkert, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV/1, S. 250 ff.; Treml, in: Geschichte des modernen Bayern, S. 64 f.; Heydenreuter, in: König Maximilian II. von Bayern, 1848-1864, hg. vom Haus der Bayerischen Geschichte, Rosenheim 1988, S. 101 ff.; Hartmann, S. 411