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15. Landtag: 1851-1852 (8. Wahlperiode 1849-1855) < >

Sitzungsdauer: 03.02.1851-28.05.1852
Ordnung und Gesetzlichkeit führt zur wahren Einigkeit
Ordnung und Gesetzlichkeit führt zur wahren Einigkeit
Öl / Holz, 58 x 59cm, Foto: Voithenberg
© Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg

Für diesen Landtag wird keine Thronrede verfasst. Der Vorsitzende im Ministerrat, von der Pfordten, begründet dies vor der Kammer damit, dass man keine ungelösten Fragen in einer Thronrede berühren solle; das bezieht sich offenbar auf die Außen- und Deutschlandpolitik. Die Linksliberalen stellen den Antrag, dennoch eine Adresse an den König zu beschließen. Sie wollen gegen den Versuch der Diplomatie protestieren, die "Neugestaltung des deutschen Vaterlandes einseitig ohne Mitwirkung des deutschen Volkes festzustellen" und die "mannigfachen Übergriffe der Polizeigewalt" im Bereich des Presse- und Vereinswesens missbilligen. Dabei haben sie die Vorgehensweise der Regierung - insbesondere des ab 1. Dezember 1852 amtierenden Innenministers August Lothar Graf von Reigersberg - gegen die oppositionelle Presse und gegen die politischen Vereine im Blick. Auch über das Fortbestehen des Lottos - trotz eines gegenteiligen Gesamtbeschlusses beider Kammern - will man Beschwerde einlegen. Aber 78 Abgeordnete gegen 39 beschließen, gar keine Adresse zu formulieren, um die Spannungen zwischen der Kammer und dem König nicht zu verschärfen.
Max II. ist besonders wegen der Absicht der Abgeordneten verärgert, den Militäretat in einem Maße zu kürzen, das der Kriegsminister Ludwig v. Lüder für unvertretbar hält. Umstritten ist auch ein Kredit für außerordentliche Militärausgaben, die bei einer militärischen Aktion anfielen, die Bayern im Auftrag des Deutschen Bundes gegen Kurhessen durchgeführt hat. In Geldfragen hat der Kriegsminister teilweise auch seine Kollegen im Ministerrat gegen sich. Die Linke in der Kammer nutzt die Gelegenheit, um das stehende Heer als "Königsheer" zu diskreditieren und die Vorteile des schweizerisches Milizsystems als (billiges) Bürgerheer herauszustreichen. Max II. reagiert darauf nach Ende des Landtags mit der Verordnung vom 9. Juni 1852, welche die 1848 eingeführte Vereidigung des Heeres auf die Verfassung wieder aufhebt.
Bemerkenswert sind die Gesetze über die Einführung von Distriktsräten als Vertretungsorgan der Gemeinden in einem Landgerichtsbezirk; ihnen wird die Verantwortung für den Bau von Distriktsstraßen und den Betrieb von sozialen und wirtschaftlichen Einrichtungen (Krankenhäusern, Altersheimen, Hilfskassen u.ä.) zugewiesen. Auf der Ebene der Kreise erhalten Landräte neue Aufgaben, in denen die Distrikte und die Städte vertreten sind.

Im Landtagsabschied beklagt der König, dass mehrere Gesetzentwürfe gescheitert seien, welche "die unveränderlichen Grundlagen jeder staatlichen Ordnung und das monarchische Prinzip" bewahren und "gegen die zerstörende Einwirkung verderblicher Grundsätze" sichern sollten. Der König greift in der Folge zu anderen Methoden: Er weist das Ministerium an, zwei Listen zu erstellen: eine mit Personen, die sich 1848/49 besonders verfassungstreu für Thron und Regierung eingesetzt haben, und eine für die, die sich verfassungswidrig gegen Thron und Regierung gestellt haben.

Volkert, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV/1, S. 254 f., S. 292; Gruner, Das bayerische Heer, S. 230 ff.

Gesetzgebung:

Gesetze:
- Finanzgesetz (Budget) für vier Jahre (1851/52 bis 1854/55), allerdings mit der Einschränkung, dass der König sich Maßnahmen vorbehält, wenn die von den Kammern erhöht angesetzten Einnahmen nicht wirklich eingehen sollten
- Eisenbahnbau Augsburg-Ulm sowie von München über Rosenheim bis zur Landesgrenze bei Salzburg bzw. Kufstein; Einleitung des Streckenbaues Nürnberg-Amberg-Regensburg
- Einschreiten der bewaffneten Macht zur Erhaltung der gesetzlichen Ordnung
- Verleitung von Militärpersonen oder Landwehr-Männern zum Ungehorsam
- provisorische Steuererhebung für 1851-1852
- Darlehen aus der Eisenbahn-Dotations-Kasse an die pfälzische Ludwigs-Eisenbahnbau-Gesellschaft
- Kreisumlagen der Pfalz für 1849-1850
- Kauf des Ludwig-Donau-Main-Kanals
- Forstgesetz
- Änderung des Grundsteuergesetzes
- bürgerliche Rechte der Juden
- Wasserbenützung; Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen für landwirtschaftliche Zwecke; Anlagen zum Uferschutz und Schutz gegen Überschwemmungen
- Distrikts- und Landräte (im Sinne von regionalen Gremien, deren Wahl dem neuen Wahlrecht angepasst wird)
- Ernennung des Ersten Präsidenten der Kammer der Reichsräte
- Weiderecht auf fremdem Boden
- Gewerbesteuer
- Ablösung der auf dem Zehntrecht (bis 1848) lastenden kirchlichen Baupflicht
- Gerichtsverfassung in den Landesteilen diesseits des Rheins
- Zollverhältnisse

Nicht zustande gekommene Gesetze:
- Militärischer Bedarf für 1850-1852; der König behält sich vor, Ausgaben, zu denen Bayern verpflichtet ist, notfalls mit Hilfe von Vorschüssen zu finanzieren und diese dem nächsten Landtag vorzulegen
- Gesetz für die Pfalz über Beleidigung des Königs und des Königl. Hauses (der König lehnt diese Initiative der Kammern ab, weil er dies im allgemeinen Strafgesetzbuch regeln will, das er dem nächsten Landtag zuzuleiten gedenkt)

Die Mitglieder des Landtages:

Präsidium Kammer der Abgeordneten
1.Präsident: Hegnenberg-Dux, Friedrich Adam Justus, Graf von
2.Präsident: Weis, Prof.Dr. Ludwig, von
1.Sekretär: Nar, Carl, von
2.Sekretär: Meyer, Dr. Friedrich Ludwig
Präsidium Kammer der Reichsräte
1.Präsident: Stauffenberg, Franz Ludwig, Graf Schenk von
2.Präsident: Seinsheim, Carl, Graf von
1.Sekretär: Niethammer, Dr. Julius Adolph, Freiherr von
2.Sekretär: Montgelas, Maximilian Joseph Wilhelm, Graf von
Abgeordnete
Abgeordnete (155) Adelmannseder, Bernhard
Allioli, Joseph Franz von
Amschler, Georg
Arnheim, Fischel
Aufschnaiter (Aufschnaitter), Franz
Bayer (Baier), Karl
Beer, Johann Nikolaus Ludwig
Benzino, Carl
Binder, Peter
Boos, Joseph
Borst, Johann Kaspar
Boyé, Adolph Bernhard
Breitenbach, Karl Friedrich
Brunck, Friedrich Karl
Burk, Max
Burkart, Friedrich Karl Freiherr von
Christoph, Stephan
Craemer, Karl von (Fortschrittsliberal
Daxenberger, Joseph
Decker, Johann Georg
Demel, Jakob
Dirnberger, Joseph
Döllinger, Johann Joseph Ignaz Ritter von
Domidion, Reinhard
Doppelhammer, Ignaz
Engelberger, Johann
Fillweber, Ignaz (Georg) Joseph
Fink, Adolf Adam Wolfgang
Fischer, Johann
Fischer, Joseph
Förg, Franz
Forndran, Johann Georg von
Fraas, Gotthelf
Fruth, Gottlieb
Gäßler, Bernhard von
Geiger, Nikolaus
Gelbert, Johann Peter
Goller, Gottfried
Gresser, Wolfgang
Gschwender, Joseph Anton
Gummi, Erhard
Hafenbrädl, Franz Xaver Freiherr von
Hamm, Christian
Hamminger, Georg
Harhammer, Max
Harold, August Freiherr von
Hebberling, Karl
Hegnenberg-Dux, Friedrich Adam Justus Graf von
Heigl, Franz
Heine, Joseph
Henne, Adolf
Hensolt, Leonhard
Hermann, Friedrich Benedikt von
Herrlen, Georg Martin
Herrmann, Eduard Zachäus
Hetterich, Thomas
Hirschberger, Joseph Ritter von
Hofmann, Johann Georg
Högg, Norbert
Hopf, Theodor Ritter von
Jäger, Lukas
Jordan jun., Ludwig Andreas
Kammermayer (Kammermaier, Kammermayr), Joseph
Kapfhammer, Ignatz
Kauschinger, Franz
Kirchgessner, Karl
Kleindienst, Thomas
Knollmüller, Georg Mathias Michael
Koch, Franz von
Köhl, Johann
Kolb, Georg Friedrich
Koller, Michael
Krämer, Michael Georg
Kronberger, Joseph Georg
La Rosée, Emanuel Graf von
Lang, Eduard
Lanzer, Ignaz
Lasaulx, Ernst von
Lauer, Johann Joseph
Lerchenfeld, Gustav Freiherr von
Link (Linck), Anton von
Mayer, Thomas
Mayr, Bartholomä
Mayr (Mayer, Meier), Franz Seraphin
Meuth, Franz Flaminius
Meyer, Friedrich Ludwig
Morgenstern, David
Moser, Alexander
Müller, Adam
Nar, Carl von
Narr, Johann Nepomuk
Neuffer, Wilhelm Gottlieb Ritter von
Oettingen-Wallerstein, Ludwig Fürst von
Paur, Adolph Xaver
Pezold, Johann
Pfordten, Ludwig Karl Freiherr von der
Pitzner, Carl
Praun, Georg
Prell, Ignaz
Prinz, Eugen Napoleon
Pröbstl, Georg Ignaz
Pröll, Joseph
Rabl, Sigmund
Rebenack, Friedrich Wilhelm
Reinhard, Michael Friedrich
Richter, Johann
Richter, Wilhelm
Römmich, Ludwig
Roos, August
Rubner, Karl Ferdinand Heinrich
Rudhart, Ernst
Ruland, Anton
Schäfer, Johann Christoph
Schäfer, Joseph
Scharpff, Peter Carl
Scheidmantel, Nicolaus
Schelhorn, Adolph von
Schmid, Franz Xaver
Schmid, Remigius
Schmidt, Christian
Schmidt jun., Friedrich
Schnitzlein, Johann Friedrich
Schönfelder, Balthasar
Schopp, Ignaz
Schweyer, Joseph
Sedlmayr, Gabriel
Seiffert (Seiferth, Seyffert), Gottlieb
Sepp, Johann Nepomuk
Stadlbauer, Max von
Steinsdorf, Kaspar Joseph Ritter von
Stöcker, Georg Moritz
Tafel, Franz
Thinnes, Friedrich
Tillmann, Philipp
Trappentreu, Michael
Tröger, Karl Heinrich
Wagner, Joseph Johann
Wagner, Karl Theodor
Walz, Johann Adam
Weber, Adam
Weeber (Weber), Silvester (Silvan)
Weippert, Adam
Weis, Ludwig von
Weiß, Anton
Wening, Franz Xaver Ritter von
Westermayer (Westermeyer), Anton
Wiedenhofer, Wenzeslaus
Wiesend, Georg
Wifling, Jakob
Wimmer, Friedrich Franz Karl
Winkler, Johann
Winzheimer, Joseph
Wolf, Johann Georg Anton
Wolfsteiner (Wolffsteiner), Johann Baptist
Zink, Johann Michael
Reichsräte (59) Arco-Valley, Maximilian Joseph Graf von
Arco-Zinneberg, Ludwig Aloys Graf von
Aretin auf Haidenburg, Peter Carl Freiherr von
Armansperg, Joseph Ludwig Graf von
Arnold, Friedrich Christian Ritter von
Bayern, Adalbert Wilhelm Prinz von
Bayern, Carl Theodor Maximilian Prinz von
Bayern, Ludwig Wilhelm Herzog in
Bayern, Luitpold Emanuel Herzog in
Bayern, Luitpold Prinz, später Prinzregent von
Bayern, Maximilian Herzog in
Castell-Castell, Friedrich Ludwig Graf zu
Erbach-Erbach und von Wartenberg-Roth, Eberhard Franz Graf zu
Franckenstein, Georg Heinrich Arbogast Freiherr von und zu
Freyberg-Eisenberg-Knöringen, Clemens Wenzeslaus Freiherr von
Fugger von Babenhausen, Leopold Karl Fürst
Fugger zu Glött, Fidelis Ferdinand Graf von
Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn, Raimund Ignaz Graf von
Giech, Friedrich Carl Graf von und zu
Gravenreuth, Maximilian Joseph Graf von
Gumppenberg, Anton Joseph Freiherr von
Gumppenberg-Pöttmes, Adolph Eberhard Freiherr von
Harleß, Adolph Gottlieb Christoph Ritter von
Heintz, Karl Friedrich Ritter von
Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, Chlodwig Fürst zu
Leiningen-Hartenburg, Carl Fürst zu
Leonrod, Carl Ludwig Freiherr von
Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, Maximilian Joseph Graf von
Leuchtenberg, Maximilian Joseph Eugen Herzog von
Lotzbeck auf Weyhern, Alfred Freiherr von
Löwenstein-Wertheim-Freudenberg, Georg Ludwig Fürst zu
Löwenstein-Wertheim-Freudenberg, Philipp Friedrich Fürst zu
Maurer, Georg Ludwig Ritter von
Montgelas, Maximilian Joseph Wilhelm Graf von
Niethammer, Julius Adolph Freiherr von
Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg, Otto Karl Fürst von
Oettl, Georg Ritter von
Ortenburg-Tambach, Franz Karl Rudolph Graf zu
Pappenheim, Carl Theodor Friedrich Graf von
Ponickau auf Osterberg, Julius Johann Freiherr von
Preysing-Lichtenegg-Moos, Maximilian Joseph Franz Graf von
Rechberg und Rothenlöwen, Albert Ulrich Graf von
Rechteren und Limpurg, Ludwig Friedrich Graf von
Reigersberg, Heinrich Aloys Graf von
Reisach, Carl August Graf von
Sandizell, Cajetan Peter Graf von und zu
Schönborn-Wiesentheid, Erwein Hugo Graf von
Seinsheim, August Karl Graf von
Seinsheim, Carl Graf von
Stauffenberg, Franz Ludwig Graf Schenk von
Thurn und Taxis, Maximilian Karl Fürst von
Toerring auf Seefeld, Maximilian Konrad Graf von
Toerring-Guttenzell, Maximilian August Graf von
Urban, Kaspar Bonifaz Ritter von
Waldbott-Bassenheim, Hugo Philipp Graf von
Waldburg-Zeil-Trauchburg, Constantin Maximilian Fürst von
Waldburg-Zeil-Wurzach, Leopold Maria Fürst von
Wrede, Carl Theodor Fürst von
Würtzburg, Joseph Franz Freiherr von
Zu Rhein, Friedrich Carl Freiherr von

Minister / Kabinette:

Minister
Staatsminister des Kgl. Hauses und des Äußern sowie Vorsitzender im Ministerrat: Pfordten, Dr. Ludwig Karl, Freiherr von der
Staatsminister des Innern: Zwehl, Theodor, von
Staatsminister des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten: Ringelmann, Dr. Friedrich, Ritter von
Staatsminister der Justiz: Kleinschrod, Dr. Karl Josef, Freiherr von
Staatsminister der Finanzen: Aschenbrenner, Dr. Josef
Staatsminister des Handels und der öffentlichen Arbeiten: Pfordten, Dr. Ludwig Karl, Freiherr von der
Kriegsminister: Lüder, Ludwig, von

Wahlergebnisse:

In der Frühzeit des Konstitutionalismus ist eine Darstellung der Wahlergebnisse nach Parteien nicht möglich. Es gibt keine festgefügten Parteien mit formeller Mitgliedschaft, Programm, Statuten und Vorstand. Politische Zusammenschlüsse dieser Art sind geradezu verboten. Es gibt auch keine festgefügten Fraktionen innerhalb des Parlaments. Die Herausbildung von Fraktionen wird absichtsvoll durch die dem Zufall überlassene Sitzordnung behindert.
Es gibt nur allgemeine Parteirichtungen wie Liberale oder Konservative mit allen Zwischenstufen, wobei man einen bestimmten Abgeordneten in der Regel nicht eindeutig einer Richtung zuordnen kann. Viele Abgeordnete lassen sich bei ihrer Stimmabgabe von ihrer Einschätzung der konkreten Frage leiten, um die es gerade geht. Das Hin- und Herschwanken der Abstimmungsergebnisse zeigt deutlich, dass sie nicht auf festgefügte Stimmblöcke, sondern auf individuelle Entscheidungen (einschließlich der Abwesenheit) zurückgehen. Im Übrigen gilt allgemein bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus: aus der Sicht der jeweiligen Regierung (bzw. des jeweiligen Königs) gibt es nur zwei "Parteien": Regierungstreue und Oppositionelle. Die Trennlinie zwischen beiden ist nicht identisch mit der zwischen Liberalen und Konservativen; Zeitgenossen erwähnen auch den Typ des "liberalen Servilen" (d.h. den Wünschen der Regierung willfährigen Liberalen) und des regierungskritischen Konservativen (aus welchen Motiven heraus auch immer). Schließen sich Abgeordnete zu einer Gruppe zusammen, dann eher informell und auf landsmannschaftlicher Basis, wobei die fränkischen und pfälzischen Abgeordneten eher auf der "linken" (liberalen bis radikalliberalen) Seite des politischen Spektrums stehen.
Von der Landtagswahl im Mai 1869 an werden hier die jeweiligen Wahlergebnisse der Parteien in Mandatszahlen sowie - wenn möglich - auch in Prozentzahlen der Wählerstimmen angegeben.

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