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19. Landtag: 1859 (10. Wahlperiode 1858-1863) < >

Sitzungsdauer: 15.01.1859-26.03.1859
Lüder ohne Worte!
Lüder ohne Worte!
07.08.1859, Karikatur
© Digitalbild: Ludwig-Maximilians-Universität München, Bibliothek der Institute am Englischen Garten, Zeitungsarchiv

Die andauernden Übergriffe der Regierung gegen die oppositionelle Presse, das hinhaltende Taktieren der Regierung bei der Umsetzung der längst zugesagten Justiz-, Verwaltungs- und sonstigen Reformen haben zu einem politischen Klimawechsel geführt. So kehrt nach den Wahlen am 14. Dezember 1858 die Opposition gestärkt in den Landtag zurück; auch in Altbayern wird diesmal vermehrt oppositionell-liberal gewählt. Die Abgeordnetenkammer ist weniger denn je bereit, sich von der Regierung am Gängelband führen zu lassen, und wählt Professor Ludwig Weis erneut zum Zweiten Präsidenten.
Der Vorsitzende im Ministerrat, der einst selbst Liberale, nun aber den Liberalismus bekämpfende Ludwig von der Pfordten, empfiehlt am 21. Januar 1859 dem König, ihn und seine Ministerkollegen aus der Verantwortung zu entlassen: "Es ist gewiss, dass zwischen dem Ministerium und der Kammer der Abgeordneten eine Verständigung unmöglich ist, und dass der Kampf, wenn er jetzt fortgesetzt wird, nicht mehr ein Kampf der Minister und der Kammer nach der konstitutionellen Form, sondern ein Kampf der Krone selbst wird". Die Kammer werde sich neuen Ministern gegenüber "dem unbestreitbar vorhandenen monarchischen Gefühle des Volkes entsprechend" verhalten. Der König lehnt das Entlassungsgesuch jedoch ab. Gesetze von größerer Bedeutung kommen nicht zustande bzw. werden gar nicht erst eingebracht. Immerhin hat ein Ausschuss zwischen den Landtagen weiter an der Strafrechtsreform gearbeitet.
Kurz bevor der König den wenig ertragreichen Landtag am 26. März 1859 schließt, hat die Zweite Kammer in nichtöffentlicher Sitzung am 15. März auf Anregung des "besonderen Ausschusses" zur Beratung des "Kredits für außerordentliche Bedürfnisse des Heeres" (siehe dazu den 17. Landtag) mit 103 gegen 27 Stimmen eine bemerkenswerte Adresse beschlossen. Sie bewillige zwar aus "vaterländischen" Gründen den von der Regierung beantragten Kredit für militärische Zwecke, auch im Hinblick auf die drohende Kriegsgefahr (gemeint ist der Krieg Italiens und Frankreichs gegen Österreich 1859, der zur italienischen Nationalstaatsgründung führt). Dies sei ihr jedoch nicht leicht gefallen gegenüber einem bayerischen Staatsministerium, welches "unersetzliche Jahre des Weltfriedens und der inneren Ruhe ohne ernste Inangriffnahme der verheißenen Reformen" habe verstreichen lassen. Die Zustimmung zum Militärkredit bedeute in keinem Fall "irgend eine Billigung des bisher befolgten ministeriellen Systems oder auch nur eine Minderung des Misstrauens", welches die Zweite Kammer "gegen die Träger dieses Systems" (gemeint sind vor allem die Minister von der Pfordten und Graf Reigersberg) hege. Die Adresse schließt mit dem Hinweis darauf, dass "keine Trübung in jener Atmosphäre, die zwischen der Krone und dem Volke liegt, ... den Glanz der Krone zu verdunkeln" vermöge, und betont die "angestammte Treue gegen Eure Königliche Majestät".
In seinem Abschied geht der König darauf wie folgt ein: "Mit Schmerz erfüllt Uns der Rückblick auf den Gang und die Art der in der Kammer der Abgeordneten gepflogenen Verhandlungen, in welchen so sehr alles Maß überschritten worden ist." Auf einen Antrag der Zweiten Kammer auf Senkung der Ausgaben für die regierungsnahe Presse (gemeint ist vor allem die "Neue Münchner Zeitung") erwidert der König, dass dies bereits angeordnet sei.
Erst nach Landtagsschluss - am 1. Mai 1859 - entlässt Max II. das reaktionäre Ministerium von der Pfordten/Reigersberg. Er begründet dies am 2. Juni mit den berühmt gewordenen Worten: "Ich will Frieden haben mit meinem Volk und mit den Kammern; deshalb habe ich das Ministerium gewechselt..." Dies zeigt, dass Max II. zwar entschlossen ist, den Abwehrkampf gegen die - von ihm befürchtete - Aushöhlung des Monarchischen Prinzips (bzw. seines "persönlichen Regiments") mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu führen, aber es nicht zu einem offenen Verfassungskonflikt kommen zu lassen, wie dies drei Jahre später in Preußen geschehen sollte. Neuer Vorsitzender im Ministerrat und Außenminister wird der gemäßigt konservative Karl Frhr. Schrenck von Notzing, der bisher als bayerischer Gesandter am Bundesrat in Frankfurt tätig war.

Volkert, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV/1, S. 256

Gesetzgebung:

Gesetze:
- Kredit für außerordentliche Bedürfnisse des Heeres in Höhe von 7 Millionen Gulden, dazu Bewilligung von weiteren Krediten für den Fall der Kriegsbereitschaft
- Kredit für die Suche nach Steinkohle in der Oberpfalz
- Antrag auf Erhöhung der Beförderungsgebühr bei Eilzügen um 20%
- Zoll- und Handelstarife
- Aufschub der Tilgung einer Eisenbahnanleihe von 1856

Die Mitglieder des Landtages:

Präsidium Kammer der Abgeordneten
1.Präsident: Hegnenberg-Dux, Friedrich Adam Justus, Graf von
2.Präsident: Weis, Prof.Dr. Ludwig, von
1.Sekretär: Hirschberger, Joseph, Ritter von
2.Sekretär: Käfferlein, Johann Eberhard
Präsidium Kammer der Reichsräte
1.Präsident: Stauffenberg, Franz Ludwig, Graf Schenk von
2.Präsident: Seinsheim, Carl, Graf von
1.Sekretär: Niethammer, Dr. Julius Adolph, Freiherr von
2.Sekretär: Montgelas, Maximilian Joseph Wilhelm, Graf von
Abgeordnete
Abgeordnete (141) Angerer, Johann Baptist
Arco-Stepperg, Alois Nikolaus Ambros Graf von
Arnheim, Fischel
Artmann, Joseph
Aufschläger, Franz Joseph
Baader, Joseph
Barth, Marquard Adolph
Bauer, Joseph
Beer, Ludwig
Berger, Franz Xaver
Bermühler (Behrmühler), Georg
Boos, Joseph
Boyé, Adolph Bernhard
Brater, Karl
Brunck, Friedrich Karl
Buhl, Franz Peter
Butler-Clonebough, Theobald Graf von
Chelius, Christian Christoph
Christoph, Franz
Craemer, Karl von
Damm, Carl
Dellefant, Mathias Matthäus
Deuster, Otto Karl
Dietmaier (Dietmair), Joseph
Doppelhammer, Ignaz
Edel, Karl Friedrich Wilhelm
Endres, Joseph
Engelhardt, Johann Kaspar
Engert, Georg
Fischer, Michael
Föckerer, Karl
Gademann, Bernhard
Geiger, Friedrich
Graf, Franz Paul
Grimm, Karl
Groh, Andreas
Gumppenberg, Ludwig Albert Freiherr von
Hack, Philipp
Hamminger, Georg
Hartmann, Rupert
Hausladen, Max
Hegnenberg-Dux, Friedrich Adam Justus Graf von
Heidinger, Franz Xaver
Heimer, Max Joseph
Hiltner, Joseph
Hirnbein, Carl
Hirschberger, Joseph Ritter von
Höfter (Hefter), Alois
Höfter (Hefter), Joseph
Jahreis, Jakob
Jänisch, Ernst
Kaberhuber, Karl
Kast, Johann
Keyl, Friedrich Alexander
Krämer, Michael Georg
Krumbach, Franz Paul
Lang, Eduard
Lang, Jakob Franz
Längenfelder, Johann
Lasaulx, Ernst von
Latein, Michael
Lauk (Lauck), Johann Jakob von
Lenk, Franz Ritter von
Lerchenfeld, Gustav Freiherr von
Ley, Daniel
Loibl, Johann Baptist
Lottner, Ludwig von
Mahla, Robert Friedrich Ferdinand
Mandel, Friedrich Wilhelm
Mayr, Joseph
Mayr (Mayer), Georg
Medicus, Ferdinand
Miller, Gustav
Molique, Ludwig
Morett, Franz Joseph von
Müller, Adam
Müller, Daniel Ernst
Müller, Kilian
Münch, Hermann von
Nar, Carl von
Netschert, Michael Joseph
Neuffer, Wilhelm Gottlieb Ritter von
Nickel, Anton
Nickels, Ferdinand
Nützel, Friedrich Adam
Ottmann, Karl Friedrich
Pachmayr, Franz
Paur, Adolph Xaver
Perfall, Max Freiherr von
Pfetten, Maximilian Marquard Freiherr von
Poschinger, Michael Ritter von
Pözl, Joseph Ritter von
Prinz, Eugen Napoleon
Rabl, Joseph
Rambaldi, Ferdinand Graf von
Rebay (Rebey), Franz
Rebenack, Friedrich Wilhelm
Rechenmacher, Franz Xaver
Redwitz-Schmölz, Oskar Freiherr von
Reger, Max
Reicherzer, Fr. Anton
Reinpold, Max
Rieder, Anton
Römmich, Ludwig
Rotenhan, Julius Freiherr von
Ruland, Anton
Rußwurm, Heinrich
Samhaber, Konrad
Schlör, Gustav von
Schmalhofen (Schmalhofer), Georg
Schmaus, Georg
Schmid, Franz Xaver
Schmidt, Georg Michael
Schobert (Schoberth), Johann Michael
Schrauth, Johann Baptist
Schuster, Ignaz
Schwab (Schwaab), Adam
Sedlmayr, Gabriel
Stadler, Alois
Stadler, Leonhard
Stauber, Karl Christoph
Steinheimer, Georg
Steinsdorf, Kaspar Joseph Ritter von
Thanner, Johann Baptist
Thüngen, Wilhelm Freiherr von
Thüngen auf Zeitlofs, Philipp Freiherr von
Tröltsch, Friedrich
Urban, August Anton
Vierling, Jakob
Vogel, Remigius
Völk, Franz Joseph
Wagner, Joseph Johann
Wagner, Karl Theodor
Walz, Johann Adam
Weinmann, Karl Ferdinand
Weis, Ludwig von
Wiedenhofer, Wenzeslaus
Wodak, Anton
Wolf, Karl Heinrich
Wutz, Johann
Reichsräte (64) Arco-Valley, Maximilian Joseph Graf von
Aretin auf Haidenburg, Karl Maria Freiherr von
Aretin auf Haidenburg, Peter Carl Freiherr von
Bayer, Hieronymus Johann Paul Ritter von
Bayern, Adalbert Wilhelm Prinz von
Bayern, Carl Theodor Maximilian Prinz von
Bayern, Karl Theodor Herzog in
Bayern, Ludwig Wilhelm Herzog in
Bayern, Luitpold Emanuel Herzog in
Bayern, Luitpold Prinz, später Prinzregent von
Bayern, Maximilian Herzog in
Bray-Steinburg, Otto Camillus Hugo Gabriel Graf von
Castell-Castell, Friedrich Ludwig Graf zu
Deinlein, Michael Ritter von
Deroy, Erasmus Bernhard Graf von
Erbach-Erbach und von Wartenberg-Roth, Eberhard Franz Graf zu
Franckenstein, Georg Heinrich Arbogast Freiherr von und zu
Fraunhofen, Carl August Freiherr von und zu Alt-und Neufrauenhofen
Fugger von Babenhausen, Leopold Karl Fürst
Fugger zu Glött, Fidelis Ferdinand Graf von
Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn, Raimund Ignaz Graf von
Fugger zu Kirchheim und Hoheneck, Philipp Karl Graf von
Giech, Friedrich Carl Graf von und zu
Gravenreuth, Maximilian Joseph Graf von
Gumppenberg-Pöttmes, Adolph Eberhard Freiherr von
Harleß, Adolph Gottlieb Christoph Ritter von
Heintz, Karl Friedrich Ritter von
Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, Chlodwig Fürst zu
Leiningen, Ernst Leopold Fürst zu
Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, Maximilian Joseph Graf von
Lotzbeck auf Weyhern, Alfred Freiherr von
Löwenstein-Wertheim-Freudenberg, Adolph Karl Fürst zu
Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, Karl Heinrich Fürst zu
Maldeghem, Carl Leopold Graf von
Maurer, Georg Ludwig Ritter von
Montgelas, Maximilian Joseph Wilhelm Graf von
Niethammer, Julius Adolph Freiherr von
Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg, Otto Karl Fürst von
Oettl, Georg Ritter von
Ortenburg-Tambach, Franz Karl Rudolph Graf zu
Pappenheim, Albert Graf zu
Ponickau auf Osterberg, Julius Johann Freiherr von
Preysing-Lichtenegg-Moos, Maximilian Joseph Franz Graf von
Quadt zu Wykradt und Isny, Otto Friedrich Graf von
Rechberg und Rothenlöwen, Albert Ulrich Graf von
Rechteren und Limpurg, Ludwig Friedrich Graf von
Reigersberg, Heinrich Aloys Graf von
Sandizell, Cajetan Peter Graf von und zu
Scherr, Gregor Ritter von
Schönborn-Wiesentheid, Erwein Hugo Graf von
Seinsheim, August Karl Graf von
Seinsheim, Carl Graf von
Stauffenberg, Franz Ludwig Graf Schenk von
Thurn und Taxis, Karl Theodor Fürst von
Thurn und Taxis, Maximilian Karl Fürst von
Toerring auf Seefeld, Maximilian Konrad Graf von
Toerring-Guttenzell, Maximilian August Graf von
Waldbott-Bassenheim, Hugo Philipp Graf von
Waldburg-Zeil-Trauchburg, Constantin Maximilian Fürst von
Waldburg-Zeil-Wurzach, Leopold Maria Fürst von
Wrede, Carl Theodor Fürst von
Wrede, Karl Friedrich Fürst von
Würtzburg, Joseph Franz Freiherr von
Yrsch, Eduard Johann Graf von
Zu Rhein, Friedrich Carl Freiherr von

Minister / Kabinette:

Minister
Staatsminister des Kgl. Hauses und des Äußern sowie Vorsitzender im Ministerrat: Pfordten, Dr. Ludwig Karl, Freiherr von der
Staatsminister des Innern: Reigersberg, August Lothar, Graf von
Staatsminister des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten: Zwehl, Theodor, von
Staatsminister der Justiz: Ringelmann, Dr. Friedrich, Ritter von
Ministerverweser des Staatsministeriums der Finanzen: Fischer, Dr. Anton, von
Staatsminister des Handels und der öffentlichen Arbeiten: Pfordten, Dr. Ludwig Karl, Freiherr von der
Kriegsminister: Manz, Wilhelm, Ritter von

Wahlergebnisse:

In der Frühzeit des Konstitutionalismus ist eine Darstellung der Wahlergebnisse nach Parteien nicht möglich. Es gibt keine festgefügten Parteien mit formeller Mitgliedschaft, Programm, Statuten und Vorstand. Politische Zusammenschlüsse dieser Art sind geradezu verboten. Es gibt auch keine festgefügten Fraktionen innerhalb des Parlaments. Die Herausbildung von Fraktionen wird absichtsvoll durch die dem Zufall überlassene Sitzordnung behindert.
Es gibt nur allgemeine Parteirichtungen wie Liberale oder Konservative mit allen Zwischenstufen, wobei man einen bestimmten Abgeordneten in der Regel nicht eindeutig einer Richtung zuordnen kann. Viele Abgeordnete lassen sich bei ihrer Stimmabgabe von ihrer Einschätzung der konkreten Frage leiten, um die es gerade geht. Das Hin- und Herschwanken der Abstimmungsergebnisse zeigt deutlich, dass sie nicht auf festgefügte Stimmblöcke, sondern auf individuelle Entscheidungen (einschließlich der Abwesenheit) zurückgehen. Im Übrigen gilt allgemein bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus: aus der Sicht der jeweiligen Regierung (bzw. des jeweiligen Königs) gibt es nur zwei "Parteien": Regierungstreue und Oppositionelle. Die Trennlinie zwischen beiden ist nicht identisch mit der zwischen Liberalen und Konservativen; Zeitgenossen erwähnen auch den Typ des "liberalen Servilen" (d.h. den Wünschen der Regierung willfährigen Liberalen) und des regierungskritischen Konservativen (aus welchen Motiven heraus auch immer). Schließen sich Abgeordnete zu einer Gruppe zusammen, dann eher informell und auf landsmannschaftlicher Basis, wobei die fränkischen und pfälzischen Abgeordneten eher auf der "linken" (liberalen bis radikalliberalen) Seite des politischen Spektrums stehen.
Von der Landtagswahl im Mai 1869 an werden hier die jeweiligen Wahlergebnisse der Parteien in Mandatszahlen sowie - wenn möglich - auch in Prozentzahlen der Wählerstimmen angegeben.

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