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20. Landtag: 1859-1861 (10. Wahlperiode 1858-1863) < >

Sitzungsdauer: 14.07.1859-12.11.1861
Karl Christoph Freiherr von Mulzer
Karl Christoph Freiherr von Mulzer
Lithografie
© Entnommen aus: Staatsministerium der Justiz (Hg.), Die Kgl. Bayerischen Staatsminister der Justiz in der Zeit von 1818 bis 1918. Ihre Herkunft, Ihr Werdegang und ihr Wirken, 2.Teil (1854-1918), München, 1931.

Der neue Vorsitzende im Ministerrat Schrenck-Notzing wird, obwohl er konservativ, katholisch und Altbayer ist, auch von der liberalen Oppositionsmehrheit in der Zweiten Kammer als aufrichtiger und kompetenter Partner in der politischen Auseinandersetzung akzeptiert und respektiert. Dieser Landtag wird - ähnlich wie der von 1848 - zu einem erfolgreichen Reformlandtag. Der König findet in seiner kurzen Thronrede einen neuen Ton und kündigt Entwürfe zur Ausführung des Gesetzes vom 04.06.1848 über die Grundlagen der Gerichtsorganisation, des Verfahrens in Zivil- und Strafsachen und des Strafrechts an, deren Prinzipien ihn "eine gedeihliche Verständigung erwarten lassen".
Unter Federführung des neuen Justizministers Karl Christoph Freiherr von Mulzer bringt die Regierung in rascher Folge die "langersehnten" und "unerlässlichen" Reformvorlagen (so die Abgeordneten in ihrer Adresse) zur Rechts-, Justiz- und Verwaltungsreform ein. Alle diese finden in beiden Kammern zügig Mehrheiten.
Im Einzelnen sind es:
1. das Gerichtsverfassungsgesetz: die Gerichte aller Instanzen erhalten klare Kompetenzen in der Rechtsprechung zugewiesen, wobei die unteren Instanzen von ihren bisherigen Verwaltungsaufgaben entlastet werden (Trennung von Justiz und Verwaltung); die Verwaltungsaufgaben werden den 1862 neu gegründeten Bezirksämtern zugewiesen;
2. das Notariatsgesetz: die regulären Behörden werden von zahlreichen Aufgaben der "freiwilligen" (nicht streitigen) Gerichtsbarkeit entlastet; diese werden dem beamteten, aber selbstständigen Berufsstand der Notare zugewiesen; es entfällt dabei auch die Siegelmäßigkeit (das Privileg des Adels und der höheren Beamten, selbst Dokumente beurkunden zu dürfen);
3. das Strafgesetzbuch und
4. das Polizeistrafgesetzbuch: beide zusammen stellen die Rechtseinheit im links- und rechtsrheinischen Bayern her; zugleich werden die Aufgaben der Richter von der Polizeigewalt auf allen Ebenen getrennt; bei der Polizei und in der Verwaltung wird die Bindung an bestimmte Rechtsnormen verstärkt; viele veraltete Rechtsvorschriften werden aufgehoben; in das Polizeistrafgesetzbuch (das weit über den heutigen, engen Begriff von "Polizei" hinausgeht) werden neue Rechtsgebiete aufgenommen wie das Bau- und das Fabrikpolizeiwesen, wobei bei letzterem auch eine Einschränkung der Kinderarbeit vorgesehen ist;
5. das Einführungsgesetz für das Deutsche Handelsgesetzbuch: dieses wurde unter bayerischer Beteiligung von einer Kommission der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt erarbeitet; die meisten Bundesmitglieder einschließlich Österreichs übernehmen es in ihr Landesrecht.
Dazu kommen weitere Reformen wie die Aufhebung der Beschränkungen für Juden hinsichtlich ihres Niederlassungsrechts und ihrer Gewerbstätigkeit. Die Kammer honoriert die neue Politik, indem sie einen weiteren Militärkredit gewährt und den Staatshaushalt für die nächsten sechs Jahre genehmigt. Diese Arbeit wird in 11 Monaten bzw. 89 Sitzungen geleistet (mit zwischenzeitlicher Vertagung). Ein heiß umkämpfter Antrag einiger linksliberaler Nürnberger Abgeordneten, darunter Karl Ludwig Brater, der auf Einführung einer neuen, freiheitlichen Gewerbeordnung unter Einschluss einer Entschädigung von 60 bis 70 Millionen Gulden für die bisherigen Gewerberechtsinhaber zielt, wird in der Zweiten Kammer mit 69 gegen 62 Stimmen abgelehnt.
In seinem Abschied spricht der König nicht nur für die gesetzgeberische Arbeit dieses Landtags Anerkennung aus, sondern auch für die "echt bayerische und zugleich deutsche Haltung", welche "die Vertreter unseres Volkes gegenüber Bestrebungen" gezeigt haben, die "seine Selbstständigkeit gefährden" würden.
Nach dem Abschied im November 1861 wird der Landtag am 28. Februar 1863 aufgelöst. Damit werden Neuwahlen nötig, die am 29. April 1863 stattfinden. Der Grund für die vorzeitige Auflösung des Landtags ist außenpolitischer Natur. In der "deutschen Frage" sind die gemäßigten Liberalen ("rechte Mitte") überwiegend großdeutsch und damit pro-österreichischeingestellt sind, womit sie auf Regierungskurs liegen, während die Liberalen der "linken Mitte" kleindeutsch und pro-preußisch gesonnen sind. Dass diese den 1859 in Eisenach bzw. Frankfurt/Main gegründeten "Nationalverein" unterstützen, der einen deutschen Bundesstaat unter Führung Preußens propagiert, missfällt der Regierung. Mit Hilfe der Neuwahlen sollen die "Kleindeutschen" geschwächt werden.

Volkert, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV/1, S. 256 ff.; Hesse, Sozialgesetzgebung, S. 39 f.

Gesetzgebung:

Gesetze:
- weiterer Kredit für die außerordentlichen Bedürfnisse des Heeres 1861-1863
- Vervollständigung und Ausdehnung der bayerischen Staatseisenbahnen (auch durch Pachtung von Strecken, die von Privaten erbaut worden sind)
- Vervollständigung des bayerischen Telegrafennetzes
- Strafgesetzbuch
- Polizeistrafgesetzbuch
- Anstellung von Assessoren bei den rheinpfälzischen Landgerichten
- Notariatsgesetz
- Gerichtsverfassungsgesetz
- Eisenbahnbau von Schwandorf über Weiden nach Bayreuth und in Richtung Eger
- Regelungen zum Vollzug von Freiheitsstrafen durch Einzelhaft
- Ausdehnung des Eisenbahnnetzes in der Rheinpfalz
- Aufbringung des Bedarfs der deutschen Schulen
- Eisenbahnbau von Würzburg bis an die badische Grenze
- Regelungen zum Vollzug des Bundesbeschlusses bezüglich der Bundesfestungen Ulm und Rastatt
- Einführung des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches
- Zolltarifbestimmungen
- Finanzgesetz (Budget) für die Jahre 1861-1867
- sowie eine Reihe von Gesetzesanträgen der Kammern, darunter die Aufhebung von bestimmten rechtlichen Einschränkungen der Juden im Niederlassungs- und Gewerberecht
Nicht zustande gekommene Gesetze:
- keine

Die Mitglieder des Landtages:

Präsidium Kammer der Abgeordneten
1.Präsident: Hegnenberg-Dux, Friedrich Adam Justus, Graf von
2.Präsident: Weis, Prof.Dr. Ludwig, von
1.Sekretär: Hirschberger, Joseph, Ritter von
2.Sekretär: Käfferlein, Johann Eberhard
Präsidium Kammer der Reichsräte
1.Präsident: Stauffenberg, Franz Ludwig, Graf Schenk von
2.Präsident: Seinsheim, Carl, Graf von
1.Sekretär: Niethammer, Dr. Julius Adolph, Freiherr von
2.Sekretär: Montgelas, Maximilian Joseph Wilhelm, Graf von
Abgeordnete
Abgeordnete (154) Angerer, Johann Baptist
Arco-Stepperg, Alois Nikolaus Ambros Graf von
Arnheim, Fischel
Artmann, Joseph
Aufschläger, Franz Joseph
Baader, Joseph
Barth, Marquard Adolph
Bauer, Joseph
Beer, Ludwig
Benz, Franz Michael
Berger, Franz Xaver
Berlenz, Michael
Bermühler (Behrmühler), Georg
Boos, Joseph
Boyé, Adolph Bernhard
Brater, Karl
Brunck, Friedrich Karl
Buhl, Franz Peter
Butler-Clonebough, Theobald Graf von
Chelius, Christian Christoph
Christoph, Franz
Craemer, Karl von
Damm, Carl
Dellefant, Mathias Matthäus
Deuster, Otto Karl
Dietmaier (Dietmair), Joseph
Doppelhammer, Ignaz
Edel, Karl Friedrich Wilhelm
Endres, Joseph
Engelhardt, Johann Kaspar
Engert, Georg
Fischer, Michael
Föckerer, Karl
Förg, Franz
Gademann, Bernhard
Geiger, Friedrich
Graf, Franz Paul
Grimm, Karl
Groh, Andreas
Gumppenberg, Ludwig Albert Freiherr von
Hack, Philipp
Hamminger, Georg
Hartmann, Rupert
Hausladen, Max
Hegnenberg-Dux, Friedrich Adam Justus Graf von
Heidinger, Franz Xaver
Heimer, Max Joseph
Hiltner, Joseph
Hirnbein, Carl
Hirschberger, Joseph Ritter von
Höfter (Hefter), Alois
Höfter (Hefter), Joseph
Hohenthanner, Karl
Jäger, Lukas
Jahreis, Jakob
Jänisch, Ernst
Kaberhuber, Karl
Käfferlein, Johann Eberhard
Kast, Johann
Keyl, Friedrich Alexander
Krämer, Michael Georg
Krumbach, Franz Paul
Künsberg, Max Joseph Freiherr von
Lang, Eduard
Lang, Jakob Franz
Längenfelder, Johann
Lasaulx, Ernst von
Latein, Michael
Lauk (Lauck), Johann Jakob von
Lenk, Franz Ritter von
Lerchenfeld, Gustav Freiherr von
Ley, Daniel
Loibl, Johann Baptist
Lottner, Ludwig von
Mahla, Robert Friedrich Ferdinand
Mandel, Friedrich Wilhelm
Mayr, Joseph
Mayr (Mayer), Georg
Medicus, Ferdinand
Miller, Gustav
Molique, Ludwig
Morett, Franz Joseph von
Müller, Adam
Müller, Daniel Ernst
Müller, Kilian
Münch, Hermann von
Nar, Carl von
Netschert, Michael Joseph
Neuffer, Wilhelm Gottlieb Ritter von
Nickel, Anton
Nickels, Ferdinand
Nöthig, Christian
Nützel, Friedrich Adam
Ott, Franz Xaver
Ottmann, Karl Friedrich
Pachmayr, Franz
Paur, Adolph Xaver
Perfall, Max Freiherr von
Pfaff, Andreas
Pfetten, Maximilian Marquard Freiherr von
Poschinger, Michael Ritter von
Pözl, Joseph Ritter von
Prinz, Eugen Napoleon
Rabl, Joseph
Rambaldi, Ferdinand Graf von
Rebay (Rebey), Franz
Rebenack, Friedrich Wilhelm
Rechenmacher, Franz Xaver
Redwitz-Schmölz, Oskar Freiherr von
Reger, Max
Reicherzer, Fr. Anton
Reinpold, Max
Rieder, Anton
Römmich, Ludwig
Rotenhan, Julius Freiherr von
Ruland, Anton
Rußwurm, Heinrich
Samhaber, Konrad
Schlör, Gustav von
Schmalhofen (Schmalhofer), Georg
Schmaus, Georg
Schmid, Franz Xaver
Schmidt, Georg Michael
Schobert (Schoberth), Johann Michael
Schrauth, Johann Baptist
Schuster, Ignaz
Schwab (Schwaab), Adam
Sedlmayr, Gabriel
Stadler, Alois
Stadler, Leonhard
Stauber, Karl Christoph
Steinheimer, Georg
Steinsdorf, Kaspar Joseph Ritter von
Thanner, Johann Baptist
Thüngen, Wilhelm Freiherr von
Thüngen auf Zeitlofs, Philipp Freiherr von
Tröltsch, Friedrich
Umbscheiden, Philipp
Urban, August Anton
Vierling, Jakob
Vogel, Remigius
Völk, Franz Joseph
Völk, Thomas
Wagner, Joseph Johann
Wagner, Karl Theodor
Walz, Johann Adam
Weinmann, Karl Ferdinand
Weis, Ludwig von
Wiedenhofer, Wenzeslaus
Wodak, Anton
Wolf, Karl Heinrich
Wutz, Johann
Zierer, Jakob
Reichsräte (69) Arco-Valley, Maximilian Joseph Graf von
Aretin auf Haidenburg, Karl Maria Freiherr von
Aretin auf Haidenburg, Peter Carl Freiherr von
Bayer, Hieronymus Johann Paul Ritter von
Bayern, Adalbert Wilhelm Prinz von
Bayern, Carl Theodor Maximilian Prinz von
Bayern, Karl Theodor Herzog in
Bayern, Ludwig Wilhelm Herzog in
Bayern, Luitpold Emanuel Herzog in
Bayern, Luitpold Prinz, später Prinzregent von
Bayern, Maximilian Herzog in
Bray-Steinburg, Otto Camillus Hugo Gabriel Graf von
Castell-Castell, Friedrich Ludwig Graf zu
Deinlein, Michael Ritter von
Deroy, Erasmus Bernhard Graf von
Deym Zu Arnstorf, Joseph Johann Nepomuck Wenzelslaus Graf von
Deym zu Arnstorf, Otto Graf von, Freiherr von Strzitiz
Erbach-Erbach und von Wartenberg-Roth, Eberhard Franz Graf zu
Franckenstein, Georg Heinrich Arbogast Freiherr von und zu
Fraunhofen, Carl August Freiherr von und zu Alt-und Neufrauenhofen
Fugger von Babenhausen, Leopold Karl Fürst
Fugger zu Glött, Fidelis Ferdinand Graf von
Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn, Raimund Ignaz Graf von
Fugger zu Kirchheim und Hoheneck, Philipp Karl Graf von
Giech, Friedrich Carl Graf von und zu
Gravenreuth, Maximilian Joseph Graf von
Gumppenberg-Pöttmes, Adolph Eberhard Freiherr von
Harleß, Adolph Gottlieb Christoph Ritter von
Heintz, Karl Friedrich Ritter von
Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, Chlodwig Fürst zu
Holnstein aus Bayern, Maximilian Karl Graf von
Leiningen, Ernst Leopold Fürst zu
Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, Ludwig Heinrich Emil Graf von
Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, Maximilian Joseph Graf von
Lotzbeck auf Weyhern, Alfred Freiherr von
Löwenstein-Wertheim-Freudenberg, Adolph Karl Fürst zu
Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, Karl Heinrich Fürst zu
Maldeghem, Carl Leopold Graf von
Maurer, Georg Ludwig Ritter von
Montgelas, Maximilian Joseph Wilhelm Graf von
Niethammer, Julius Adolph Freiherr von
Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg, Otto Karl Fürst von
Oettingen-Oettingen und Oettingen-Wallerstein, Karl Friedrich Krafft Ernst Fürst von
Oettl, Georg Ritter von
Ortenburg-Tambach, Franz Karl Rudolph Graf zu
Pappenheim, Albert Graf zu
Ponickau auf Osterberg, Julius Johann Freiherr von
Preysing-Lichtenegg-Moos, Maximilian Joseph Franz Graf von
Quadt zu Wykradt und Isny, Otto Friedrich Graf von
Rechberg und Rothenlöwen, Albert Ulrich Graf von
Rechteren und Limpurg, Ludwig Friedrich Graf von
Reigersberg, Heinrich Aloys Graf von
Sandizell, Cajetan Peter Graf von und zu
Scherr, Gregor Ritter von
Schönborn-Wiesentheid, Erwein Hugo Graf von
Seinsheim, August Karl Graf von
Seinsheim, Carl Graf von
Stauffenberg, Franz Ludwig Graf Schenk von
Thüngen, Wilhelm Freiherr von
Thurn und Taxis, Karl Theodor Fürst von
Thurn und Taxis, Maximilian Karl Fürst von
Toerring auf Seefeld, Maximilian Konrad Graf von
Toerring-Guttenzell, Maximilian August Graf von
Waldbott-Bassenheim, Hugo Philipp Graf von
Waldburg-Zeil-Trauchburg, Constantin Maximilian Fürst von
Waldburg-Zeil-Wurzach, Leopold Maria Fürst von
Wrede, Karl Friedrich Fürst von
Würtzburg, Joseph Franz Freiherr von
Yrsch, Eduard Johann Graf von
Zu Rhein, Friedrich Carl Freiherr von

Minister / Kabinette:

Minister
Staatsminister des Kgl. Hauses und des Äußern sowie Vorsitzender im Ministerrat: Schrenck von Notzing, Karl, Freiherr von
Staatsminister des Innern: Neumayr, Maximilian, von
Staatsminister des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten: Zwehl, Theodor, von
Staatsminister der Justiz: Mulzer, Karl Christoph, Freiherr von
Staatsminister der Finanzen: Pfeufer, Benno Heinrich, Ritter von
Staatsminister des Handels und der öffentlichen Arbeiten: Schrenck von Notzing, Karl, Freiherr von
Kriegsminister: Lüder, Ludwig, von
Spies, Moritz, Ritter von (ab 12.06.1861)

Wahlergebnisse:

In der Frühzeit des Konstitutionalismus ist eine Darstellung der Wahlergebnisse nach Parteien nicht möglich. Es gibt keine festgefügten Parteien mit formeller Mitgliedschaft, Programm, Statuten und Vorstand. Politische Zusammenschlüsse dieser Art sind geradezu verboten. Es gibt auch keine festgefügten Fraktionen innerhalb des Parlaments. Die Herausbildung von Fraktionen wird absichtsvoll durch die dem Zufall überlassene Sitzordnung behindert.
Es gibt nur allgemeine Parteirichtungen wie Liberale oder Konservative mit allen Zwischenstufen, wobei man einen bestimmten Abgeordneten in der Regel nicht eindeutig einer Richtung zuordnen kann. Viele Abgeordnete lassen sich bei ihrer Stimmabgabe von ihrer Einschätzung der konkreten Frage leiten, um die es gerade geht. Das Hin- und Herschwanken der Abstimmungsergebnisse zeigt deutlich, dass sie nicht auf festgefügte Stimmblöcke, sondern auf individuelle Entscheidungen (einschließlich der Abwesenheit) zurückgehen. Im Übrigen gilt allgemein bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus: aus der Sicht der jeweiligen Regierung (bzw. des jeweiligen Königs) gibt es nur zwei "Parteien": Regierungstreue und Oppositionelle. Die Trennlinie zwischen beiden ist nicht identisch mit der zwischen Liberalen und Konservativen; Zeitgenossen erwähnen auch den Typ des "liberalen Servilen" (d.h. den Wünschen der Regierung willfährigen Liberalen) und des regierungskritischen Konservativen (aus welchen Motiven heraus auch immer). Schließen sich Abgeordnete zu einer Gruppe zusammen, dann eher informell und auf landsmannschaftlicher Basis, wobei die fränkischen und pfälzischen Abgeordneten eher auf der "linken" (liberalen bis radikalliberalen) Seite des politischen Spektrums stehen.
Von der Landtagswahl im Mai 1869 an werden hier die jeweiligen Wahlergebnisse der Parteien in Mandatszahlen sowie - wenn möglich - auch in Prozentzahlen der Wählerstimmen angegeben.

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