Der neue Vorsitzende im Ministerrat Schrenck-Notzing wird, obwohl er konservativ, katholisch und Altbayer ist, auch von der liberalen Oppositionsmehrheit in der Zweiten Kammer als aufrichtiger und kompetenter Partner in der politischen Auseinandersetzung akzeptiert und respektiert. Dieser Landtag wird - ähnlich wie der von 1848 - zu einem erfolgreichen Reformlandtag. Der König findet in seiner kurzen Thronrede einen neuen Ton und kündigt Entwürfe zur Ausführung des Gesetzes vom 04.06.1848 über die Grundlagen der Gerichtsorganisation, des Verfahrens in Zivil- und Strafsachen und des Strafrechts an, deren Prinzipien ihn "eine gedeihliche Verständigung erwarten lassen".
Unter Federführung des neuen Justizministers Karl Christoph Freiherr von Mulzer bringt die Regierung in rascher Folge die "langersehnten" und "unerlässlichen" Reformvorlagen (so die Abgeordneten in ihrer Adresse) zur Rechts-, Justiz- und Verwaltungsreform ein. Alle diese finden in beiden Kammern zügig Mehrheiten.
Im Einzelnen sind es:
1. das Gerichtsverfassungsgesetz: die Gerichte aller Instanzen erhalten klare Kompetenzen in der Rechtsprechung zugewiesen, wobei die unteren Instanzen von ihren bisherigen Verwaltungsaufgaben entlastet werden (Trennung von Justiz und Verwaltung); die Verwaltungsaufgaben werden den 1862 neu gegründeten Bezirksämtern zugewiesen;
2. das Notariatsgesetz: die regulären Behörden werden von zahlreichen Aufgaben der "freiwilligen" (nicht streitigen) Gerichtsbarkeit entlastet; diese werden dem beamteten, aber selbstständigen Berufsstand der Notare zugewiesen; es entfällt dabei auch die Siegelmäßigkeit (das Privileg des Adels und der höheren Beamten, selbst Dokumente beurkunden zu dürfen);
3. das Strafgesetzbuch und
4. das Polizeistrafgesetzbuch: beide zusammen stellen die Rechtseinheit im links- und rechtsrheinischen Bayern her; zugleich werden die Aufgaben der Richter von der Polizeigewalt auf allen Ebenen getrennt; bei der Polizei und in der Verwaltung wird die Bindung an bestimmte Rechtsnormen verstärkt; viele veraltete Rechtsvorschriften werden aufgehoben; in das Polizeistrafgesetzbuch (das weit über den heutigen, engen Begriff von "Polizei" hinausgeht) werden neue Rechtsgebiete aufgenommen wie das Bau- und das Fabrikpolizeiwesen, wobei bei letzterem auch eine Einschränkung der Kinderarbeit vorgesehen ist;
5. das Einführungsgesetz für das Deutsche Handelsgesetzbuch: dieses wurde unter bayerischer Beteiligung von einer Kommission der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt erarbeitet; die meisten Bundesmitglieder einschließlich Österreichs übernehmen es in ihr Landesrecht.
Dazu kommen weitere Reformen wie die Aufhebung der Beschränkungen für Juden hinsichtlich ihres Niederlassungsrechts und ihrer Gewerbstätigkeit. Die Kammer honoriert die neue Politik, indem sie einen weiteren Militärkredit gewährt und den Staatshaushalt für die nächsten sechs Jahre genehmigt. Diese Arbeit wird in 11 Monaten bzw. 89 Sitzungen geleistet (mit zwischenzeitlicher Vertagung). Ein heiß umkämpfter Antrag einiger linksliberaler Nürnberger Abgeordneten, darunter Karl Ludwig Brater, der auf Einführung einer neuen, freiheitlichen Gewerbeordnung unter Einschluss einer Entschädigung von 60 bis 70 Millionen Gulden für die bisherigen Gewerberechtsinhaber zielt, wird in der Zweiten Kammer mit 69 gegen 62 Stimmen abgelehnt.
In seinem Abschied spricht der König nicht nur für die gesetzgeberische Arbeit dieses Landtags Anerkennung aus, sondern auch für die "echt bayerische und zugleich deutsche Haltung", welche "die Vertreter unseres Volkes gegenüber Bestrebungen" gezeigt haben, die "seine Selbstständigkeit gefährden" würden.
Nach dem Abschied im November 1861 wird der Landtag am 28. Februar 1863 aufgelöst. Damit werden Neuwahlen nötig, die am 29. April 1863 stattfinden. Der Grund für die vorzeitige Auflösung des Landtags ist außenpolitischer Natur. In der "deutschen Frage" sind die gemäßigten Liberalen ("rechte Mitte") überwiegend großdeutsch und damit pro-österreichischeingestellt sind, womit sie auf Regierungskurs liegen, während die Liberalen der "linken Mitte" kleindeutsch und pro-preußisch gesonnen sind. Dass diese den 1859 in Eisenach bzw. Frankfurt/Main gegründeten "Nationalverein" unterstützen, der einen deutschen Bundesstaat unter Führung Preußens propagiert, missfällt der Regierung. Mit Hilfe der Neuwahlen sollen die "Kleindeutschen" geschwächt werden.
Volkert, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV/1, S. 256 ff.; Hesse, Sozialgesetzgebung, S. 39 f.