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25. Landtag: 1871-1872 (13. Wahlperiode 1869-1875) < >

Sitzungsdauer: 20.09.1871-29.04.1872
Patriotenmarsch durch das kaudinische Joch
Patriotenmarsch durch das kaudinische Joch
04.05.1872, Karikatur in Die Bremse
© Digitalbild: Ludwig-Maximilians-Universität München, Bibliothek der Institute am Englischen Garten, Zeitungsarchiv

Dieser Landtag wird weder mit einer Thronrede noch mit Adressen eröffnet.

Er steht im Zeichen des beginnenden "Kulturkampfs", also der Auseinandersetzung des Staates mit der katholischen Kirche um die Aufsichtsrechte des Staates und den Einfluss der Kirche in der Gesellschaft. Dieser Konflikt wird einerseits auf der Reichsebene durch Reichsgesetze ausgetragen (z.B. mit dem von der bayerischen Regierung im Bundesrat beantragten "Kanzelparagrafen" vom 10. Dezember 1871; demnach können Geistliche, die in Ausübung ihres Berufs in der Öffentlichkeit staatliche Angelegenheiten in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise behandeln, mit Haft bestraft werden).
Andererseits wird er in Bayern durch den Kultusminister Johann von Lutz, der dieses Amt 21 Jahre lang (von 1869 bis 1890) ausübt, mit Verordnungen, also unter Umgehung des Landtags, und unter strikter Auslegung der Rechte durchgeführt, die der bayerische Staat gegenüber der Kirche besitzt. Dazu zählt auch das umstrittene königliche "Placet", wonach die Bischöfe vor bestimmten kirchlichen Verlautbarungen - wie etwa bei der Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas - die staatliche Genehmigung einzuholen haben.
Wegen der katholisch-Konservativen Mehrheit in der Zweiten Kammer kann Lutz seine Absicht, das gesamte Staatskirchenrecht auf eine neue gesetzliche Basis zu stellen und dabei Widersprüche und Unklarheiten zu beseitigen, nicht realisieren. Die Patrioten haben zwar durch die Spaltung an Schlagkraft verloren - ihre Fraktion umfasst nur noch 64 feste Mitglieder -, aber bei bestimmten, vor allem kirchlichen Themen muss man mit gemeinsamem Abstimmungsverhalten aller katholischen Konservativen rechnen. Andererseits hat sich in Folge eines Hin- und Herwechselns von Abgeordneten zwischen den Fraktionen ein Patt zwischen Patrioten und Liberalen ergeben. Deswegen führen auch die hitzigen Rededuelle zwischen Lutz und Jörg - z.B. über den rechtlichen Status, den die Altkatholiken (die das Unfehlbarkeitsdogma ablehnen) erhalten sollen - zu keinen konkreten Ergebnissen. Als schärfstes Mittel, um der Regierung und damit dem König ihren Willen aufzwingen, könnte die Kammermehrheit die Zustimmung zum Budget verweigern und damit die Auflösung des Landtags und Neuwahlen erzwingen. Dieses zweischneidige Schwert will Edmund Jörg aber weder jetzt noch in den folgenden Landtagen einsetzen, was ihm z.B. von Johann Baptist Sigl, dessen Zeitschrift "Das Bayerische Vaterland" das Sprachrohr der ultrakonservativen bayerischen Separatisten ist, immer wieder zum Vorwurf gemacht wird.
Die auf diesem Landtag verabschiedete neue Geschäftsordnung erschwert die Behinderung der parlamentarischen Arbeit durch Obstruktion und kollektive Mandatsniederlegung. Zu diesem Zweck räumt sie den Fraktionen auch keinerlei Funktionen ein, sondern ignoriert deren Existenz völlig.
In seinem Abschied hebt der König die Genehmigung der Einführung des Reichsstrafgesetzes in Bayern als wichtigen Schritt zur Realisierung der Rechtseinheit Deutschlands hervor, begrüßt die neue Geschäftsordnung, die eine raschere Abwicklung der Beratungen ermögliche, und lobt, dass die Volksvertretung die Rückkehr zu geordneten Zuständen im Staatshaushalt trotz höherer Ausgaben für die Bedürfnisse des Staatsdienstes, der Kirchen, der Schulen, der Wissenschaft und der Kunst ermöglicht habe.

Volkert, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV/1, S. 370 ff., 377 ff.; Hartmann, S. 433 ff.; Treml, in: Geschichte des modernen Bayern, S. 99 f.

Gesetzgebung:

Gesetze:
- Einführung des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich in Bayern mit entsprechenden Abänderungen des bayerischen Militärstrafgesetzbuches
- provisorische Steuerhebung für 1872
- Abänderung einiger Bestimmungen der Gemeindeordnung für die Pfalz vom 29.04.1869 sowie des Gesetzes über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt vom 16.04.1868
- Ergänzung des Pferdebedarfs für das Königliche Heer im Falle der Mobilisierung
- Änderungen im Polizeistrafgesetzbuch
- Verwendung des Anteils Bayerns an der französischen Kriegsentschädigung
- finanzielle Sonderzuwendungen an das Personal der Verkehrsanstalten in Anerkennung der außerordentlichen Leistungen während der Kriegszeit
- Vervollständigung des Eisenbahnnetzes in der Pfalz; Einführung der Dampfschifffahrt auf dem Bodensee; Genehmigung des Königs für einen Antrag bezüglich des Baus der Bahnlinie Landau-Straubing-Cham
- Budget und Finanzgesetz für zwei Jahre
- Kredit für außerordentliche Heeresbedürfnisse
- Neuregelung des Geschäftsgangs im Landtag

Nicht zustande gekommene Gesetze:
- der Landtagsabschied erwähnt keine gescheiterten Regierungsvorlagen

Die Mitglieder des Landtages:

Präsidium Kammer der Abgeordneten
1.Präsident: Ow-Felldorf, Karl, Freiherr von
2.Präsident: Seinsheim-Grünbach, Maximilian Joseph Sixtus, Graf von
1.Sekretär: Jörg, Dr. Edmund
2.Sekretär: Eder, Anton
1.Schriftführer: Kastner, Wilhelm, von (ab 01.03.1872)
2.Schriftführer: Louis, Ludwig (ab 01.03.1872)
Präsidium Kammer der Reichsräte
1.Präsident: Stauffenberg, Franz Ludwig, Graf Schenk von
2.Präsident: Schrenck von Notzing, Karl, Freiherr
1.Sekretär: Niethammer, Dr. Julius Adolph, Freiherr von
2.Sekretär: Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, Ludwig Heinrich Emil, Graf von
Abgeordnete
Abgeordnete (203) Adler, Carl
Aldinger, Julius
Alwens, Karl von
Arbinger, Johann Baptist
Aschenauer, Peter
Aub, Friedrich Ernst
Bach, Josef Mathias
Barth, Karl
Barth, Marquard Adolph
Bätz, Martin
Bayer, Johann
Benz, Franz Michael
Bichler, Michael
Birner, Franz
Borger, Ludwig
Brand, Adam
Brandenburg, Heinrich
Brückl, Johann Evangelist
Buchele, Georg
Bucher, Joseph
Burger, Franz
Burkel, Andreas
Craemer, Karl von
Croissant, Friedrich
Daller, Balthasar Ritter von
Demmler, Johann
Diendorfer, Johann Evangelist
Diepolder, Johann Michael
Dingler, Gottfried
Dürrschmidt, Otto Heinrich Gustav
Ebner, Johann Peter
Eckart, Gottfried Gotthard
Edel, Karl Friedrich Wilhelm
Eder, Anton
Engert, Karl
Exter, Jakob
Fischer, Ludwig Fr. Alex von
Fleischmann, August
Föckerer, Karl
Frank, Alois
Frank, Joseph
Frankenburger, Wolfgang
Freyberg-Eisenberg, Rudolph Freiherr von
Freytag (Freitag), Andreas
Frickhinger, Albert
Fries, Hermann
Frischeisen, Joseph
Fuchs (Bimbach und Dornheimm), Otto Karl Freiherr von
Fugger-Blumenthal, Eberhard Graf von
Gärtner, Peter
Gelbert, Johann Adolph
Gelbert, Johann Peter
Gerauer, Benedikt
Gerstner, Ludwig
Golsen, Karl Ludwig von
Grabner, Max
Greil, Franz Xaver
Greiner, Friedrich
Grieninger, Friedrich Franz
Groß, Ludwig Philipp
Gschwender, Joseph Anton
Gürster, Joseph
Hafenbrädl, Aloys Freiherr von
Hafenbrädl, Franz Xaver Freiherr von
Hafenmaier (Hafenmair), Johann Georg
Häring (Härring), Georg
Hauck, Thomas Ritter von
Heinle, Anton
Henle, Sigmund Ritter von
Henning, Franz Seraph
Herz, Carl
Hilgenrainer, Mathias
Hocheder, Adolf
Höchstetter, Johann
Hofmann, Karl
Hofstetter, Cajetan
Hohenadel, Gustav
Holzapfel, Nikolaus
Hörmann von Hörbach, Winfried
Hutschenreuther, Lorenz Friedrich
Huttler, Max
Jakob (Jacob), Johann Wilhelm
Jegel, Wilhelm
Jordan jun., Ludwig Andreas
Jörg, Edmund
Kallenbach, Georg
Kastner, Joseph Anton
Kastner, Wilhelm von
Kinateder, Mathias Peter
Knorr, Julius
Kolb, Georg
Kolb, Georg Friedrich
Krätzer, Adolf
Kraußold (Kraussold), Max
Kuby, Ferdinand
Kühlmann, Otto Ritter von
Kurz, Karl Heinrich von
Lampert, Friedrich
Lang, Adam
Lauerer, Michael
Leffer, Adam
Leiseder (Leyseder), Martin
Lerzer, Johann Baptist
Levi, Simon
Leybach, Johann Michael Christian
Leyrer (Leyerer), Leonhard
Lindner, Joseph
Lotz, Karl
Louis, Ludwig
Lucas (Lukas), Joseph
Lugscheider, Matthäus
Lukas (Lucas), Gerhard
Mahr, Franz
Maier, Franz Xaver
Makowiczka, Franz
Marquardsen, Heinrich Ritter von
Mayr (Mayer), Georg
Meixner, Carl von
Miller, Ferdinand von
Möginger, Simon
Müller, Julius Ferdinand Ritter von
Neumayer (Neumaier), Joseph
Neuper, Emil
Oertel, Abraham
Ostermann, Franz Paul
Ow-Felldorf, Karl Freiherr von
Pfahler, Joseph Konrad
Pfann, Leonhard
Ponschab, Georg
Prestele, Ignaz
Radspieler, Joseph
Rambaldi, Ferdinand Graf von
Richter, Friedrich
Ritter, Daniel
Röckl, Johann
Röhrl, Alois
Rothaas (Rothhaas), Philipp
Ruland, Anton
Rußwurm, Franz Anton
Sauer, Valentin
Scharrer, Max
Schauß, Friedrich Ritter von
Scheick (Schleich), Alois
Schiferer (Schieferer), Wilhelm
Schleich, Martin Wilhelm
Schlör, Gustav von
Schmid, Anton
Schmidbauer, Georg
Schmidt, Karl Heinrich
Schmidt, Wilhelm
Schmidtkonz, Johann Nepomuk
Schmiedl, Andreas
Schöpf, Franz Anton
Schüttinger, Jacob
Sedlmayr (Sedlmayer, Sedlmaier), Andreas
Seinsheim-Grünbach, Maximilian Joseph Sixtus Graf von
Seitz, Franz Ferdinand
Sellner, Ernst
Senestrey, Joseph Johann Karl
Sepp, Johann Nepomuk
Seybold, Friedrich
Sick, Wilhelm
Sittig, Veit
Sitzler, Ludwig
Söllner, Josef
Sörgel, Joseph Johann
Speckner, Ignaz
Stahl, Johann
Stamm, Heinrich
Stauffenberg, Franz August Freiherr von
Steger, Peter
Stenglein, Melchior
Stöcher, Peter
Stockbauer, Paul Ritter von
Strauß, Johann Michael
Thomaß, Karl
Tillmann, Philipp
Trendel, Eduard
Triller, Michael
Vaillant, Ludwig Reinhard
Völk, Franz Joseph
Vollmuth, Michael
Wagner, Joseph Johann
Wagner, Karl Theodor
Wand, Theodor Michael Ritter von
Weber, Franz Lothar
Weigand, Paul
Weimer, Andreas
Weis, Ludwig von
Weiß, Rudolph
Welzhofer, Alois
Werkmeister, Jakob
Westermayer (Westermeyer), Anton
Wiesnet, August
Winderl, Nikolaus
Winkelhofer (Winklhofer), Benedikt
Wolf, Anton
Wolf, Karl Heinrich
Wolfbauer, Max
Wülfert, Karl Friedrich
Würth, Anton
Zill, Leonhard
Zu Rhein, Friedrich Ludwig Freiherr von
Reichsräte (72) Arco-Valley, Maximilian Joseph Graf von
Aretin auf Haidenburg, Peter Carl Freiherr von
Bayern, Adalbert Wilhelm Prinz von
Bayern, Arnulf Prinz von
Bayern, Karl Theodor Herzog in
Bayern, Leopold Maximilian Prinz von
Bayern, Ludwig III. Prinz, ab 1912 Prinzregent, ab 1913 König von
Bayern, Ludwig Wilhelm Herzog in
Bayern, Luitpold Emanuel Herzog in
Bayern, Luitpold Prinz, später Prinzregent von
Bayern, Maximilian Herzog in
Bayern, Maximilian Emanuel Herzog in
Bayern, Otto I. Kronprinz von, später König von
Böcking, Ferdinand Louis Ritter von
Bomhard, Eduard Peter Apollonius Ritter von
Bothmer, Max Graf von
Bray-Steinburg, Otto Camillus Hugo Gabriel Graf von
Castell-Castell, Friedrich Ludwig Graf zu
Castell-Rüdenhausen, Wolfgang August Graf zu
Cramer-Klett, Theodor sen. ab 1855 Ritter von, ab 1876 Freiherr von
Deinlein, Michael Ritter von
Deym zu Arnstorf, Joseph Graf von, Freiherr von Strzitiz
Dinkel, Pankratius Ritter von
Döllinger, Johann Joseph Ignaz Ritter von
Erbach-Erbach und von Wartenberg-Roth, Eberhard Franz Graf zu
Franckenstein, Georg Heinrich Arbogast Freiherr von und zu
Fugger von Babenhausen, Leopold Karl Fürst
Fugger zu Glött, Fidelis Ferdinand Graf von
Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn, Franz Raimund Graf von
Fugger zu Kirchheim und Hoheneck, Philipp Karl Graf von
Giech, Karl Gottfried Graf von und zu
Gravenreuth, Maximilian Joseph Graf von
Gumppenberg-Pöttmes, Adolph Eberhard Freiherr von
Guttenberg, Hermann Freiherr von
Harleß, Adolph Gottlieb Christoph Ritter von
Haubenschmied, Ferdinand Ritter von
Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, Chlodwig Fürst zu
Holnstein aus Bayern, Maximilian Karl Graf von
Leiningen, Ernst Leopold Fürst zu
Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, Ludwig Heinrich Emil Graf von
Lotzbeck auf Weyhern, Alfred Freiherr von
Löwenstein-Wertheim-Freudenberg, Wilhelm Paul Fürst zu
Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, Karl Heinrich Fürst zu
Maldeghem, Carl Leopold Graf von
Maurer, Georg Ludwig Ritter von
Montgelas, Maximilian Joseph Ambrosius Graf von
Neuffer, Wilhelm Gottlieb Ritter von
Neumayer, Ludwig Ritter von
Niethammer, Julius Adolph Freiherr von
Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg, Otto Karl Fürst von
Oettingen-Oettingen und Oettingen-Wallerstein, Karl Friedrich Krafft Ernst Fürst von
Ortenburg-Tambach, Franz Karl Rudolph Graf zu
Pappenheim, Ludwig Ferdinand Graf zu
Pfretzschner, Adolph Ritter von
Ponickau auf Osterberg, Julius Johann Freiherr von
Pözl, Joseph Ritter von
Pranckh, Sigmund Freiherr von
Preysing-Lichtenegg-Moos, Maximilian Joseph Franz Graf von
Quadt zu Wykradt und Isny, Otto Friedrich Graf von
Rechberg und Rothenlöwen, Albert Ulrich Graf von
Rechteren und Limpurg, Ludwig Friedrich Graf von
Sandizell, Maximilian Josef Graf von und zu
Scherr, Gregor Ritter von
Schönborn-Wiesentheid, Clemens August Graf von
Schrenck von Notzing, Karl Freiherr
Stauffenberg, Franz Ludwig Graf Schenk von
Thurn und Taxis, Maximilian Karl Fürst von
Toerring auf Seefeld, Maximilian Konrad Graf von
Toerring-Jettenbach-Guttenzell auf Seefeld, Clemens Maria Graf von, Freiherr auf Seefeld
Waldbott-Bassenheim, Hugo Philipp Graf von
Waldburg-Zeil-Trauchburg, Wilhelm Franz Fürst von
Wrede, Karl Friedrich Fürst von
Würtzburg, Karl Philipp Veit Freiherr von

Minister / Kabinette:

Minister
Staatsminister des Kgl. Hauses und des Äußern sowie Vorsitzender im Ministerrat: Hegnenberg-Dux, Friedrich Adam Justus, Graf von
Staatsminister des Innern: Pfeufer, Sigmund Heinrich, Freiherr von
Staatsminister des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten: Lutz, Johann, Ritter von
Staatsminister der Justiz: Fäustle, Dr. Johann Nepomuk, von
Staatsminister der Finanzen: Pfretzschner, Adolph, Ritter von
Kriegsminister: Pranckh, Sigmund, Freiherr von

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