Der Landtag beginnt wieder ohne Thronrede und Adressen sowie mit einer Niederlage der Patrioten bei der Präsidentenwahl. Diese überlegen, ob sie nur ein provisorisches Steuergesetz verabschieden und dann den König um Neuwahlen bitten sollten; die Zusammensetzung der Kammer entspreche nicht mehr den Gesinnungen im Lande (gemeint sind die aus der Patriotenfraktion ausgetretenen Abgeordneten). Das ist einigen Patrioten jedoch zuviel an Opposition. Sie einigen sich darauf, aus Protest gegen den verhassten Kultusminister Lutz einen kleineren Posten aus seinem Etat zu streichen: zwei Anbauten am Münchner Polytechnikum (eine Art Fachhochschule). Damit geben die Patrioten ihren Gegnern Gelegenheit, sie als kultur- und fortschrittsfeindlich zu attackieren; auch zeigt sich in solchen Fällen der mangelhafte Zusammenhalt ihrer Fraktion. Ihr Antrag scheitert mit 76 gegen 77 Stimmen.
Dennoch ist dieser Landtag durchaus ergiebig. Bei zwei Unterbrechungen kommt die Zweite Kammer auf 83 Sitzungen. Der Präsident der Kammer der Abgeordneten Franz August Freiherr von Stauffenberg gibt in seinem Abschlussbericht bekannt, dass die meisten Regierungsvorlagen zu einem Gesamtbeschluss beider Kammern geführt hätten. Eine im vorigen Landtag unerledigte Regierungsvorlage sei von der Regierung zurückgezogen worden: ein Gesetz zur Reform des Landtagswahlrechts. Es seien 150 Petitionen eingegangen, von denen nur 2 noch unerledigt seien.
Der Kammerpräsident endet seine Abschlussrede mit dem Hinweis, dass viele zu Unrecht glaubten, der bayerische Landtag habe in Folge des Beitritts Bayerns zum Reich nur noch geringe Bedeutung und sei eine Art Provinz-Landtag. Er verweist auf das preußische Abgeordnetenhaus, dessen Zuständigkeit stärker geschmälert worden sei als die der bayerischen Kammer; dennoch habe es eine große Aufgabe angepackt, nämlich den Neuaufbau der Verwaltung von unten nach oben auf der Grundlage der Selbstverwaltung sowie eine Reform der gesamten Steuergesetzgebung des Landes. "Solche Aufgaben erwarten auch uns": eine Reorganisation der Verwaltung, um sie mit der Selbstverwaltung in Einklang zu bringen, und eine Reform der Steuergesetzgebung.
Der König hebt in seinem Landtagsabschied insbesondere die Bewilligung der Mittel für das Heer und das Zustandekommen eines Gesetzes zur Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank lobend hervor, mit dem Bayern das Reichsbankgesetz und die Durchführung der Münzreform (Einführung der Reichsmark aus Gold an Stelle des bayerischen Guldens mit einem Wechselkurs von 1 Reichsmark = 0,62 Gulden) in Landesrecht überträgt.
Albrecht, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV/1, S. 377 ff.