Im Nationalsozialismus spielte Bayern eine unheilvolle Rolle. Gegründet 1919 in München wurde die NSDAP trotz eines Verbotes in fast allen Ländern des Reiches in Bayern unterstützt: von Behörden, von Gerichten, vom gehobenen Bürgertum sowie rechtsradikal und rassistischen Denkerinnen und Denkern wie Julius Streicher, dem sog. „Frankenführer“, und fanatischen Anhängerinnen und Anhängern wie Rudolf Heß, Hitlers Stellvertreter.
Aus Bayern kamen aber auch Menschen, die sich gegen das NS-Regime auflehnten. Berühmt wurden „Die Weisse Rose“, der Harnier-Kreis oder Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Vielfach in Vergessenheit geraten sind aber die Menschen, die bereits vor 1933 vor Hitler öffentlich gewarnt und agiert hatten. 19 Kurzbiografien widmen sich im Folgenden diesen Persönlichkeiten.
Nach dem Überfall eines rechten Schlägertrupps auf eine pazifistische Frauenversammlung 1923 beschwerte sich Ellen Ammann beim bayerischen Innenminister Franz Schweyer. Erfolglos forderte sie die Ausweisung des Österreichers Adolf Hitler. Als Ammann am 8. 11.1923 vom Hitler-Ludendorff-Putsch erfuhr, warnte sie die erreichbaren bayerischen Regierungsmitglieder, die so der Verhaftung entgehen und Gegenmaßnahmen zur Niederschlagung des Umsturzversuchs einleiten konnten.
In der Weimarer Republik kämpfte Anita Augspurg als Publizistin gegen den wachsenden Antisemitismus. Mit ihrer Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann wurde sie als Jüdin früh zum Ziel rechter Gewalt in München. Öffentliche Auftritte von ihr wurden ab 1920 gestört. Von der NS-Machtübernahme erfuhr Augspurg auf einer Auslandsreise. Um einer Verfolgung zu entgehen, kehrte sie nicht nach Deutschland zurück. Im Schweizer Exil konnten Augspurg und Heymann nur mühsam ihren Unterhalt sichern. Ihre letzten Lebensjahre waren von Resignation geprägt.
1925 übernahm Hans Beimler die KPD-Bezirksleitung Südbayern. 1932 folgte seine Wahl in den Landtag und Reichstag. Nach der NS-Machtübernahme wurden die Kommunisten jedoch als erste verfolgt. Beimler wurde daher am 11.04.1933 verhaftet und schwer misshandelt. Aus dem KZ Dachau gelang ihm am 08.05.1933 die Flucht. Er schlug sich bis in die Sowjetunion durch, wo er den Augenzeugenbericht „Im Mörderlager Dachau“ verfasste. Dieses Buch wurde illegal im „Dritten Reich“ verbreitet und sorgte in der englischen Übersetzung weltweit für Aufsehen.
Seit Ende des Ersten Weltkriegs engagierte sich Fritz Dressel politisch. 1919 trat er in die KPD ein. 1925 wurde er Parteisekretär der KPD und übernahm 1928 den Vorsitz der KPD-Fraktion im Bayerischen Landtag. Mehrmals wandte sich Dressel im Landtag gegen die Nationalsozialisten. Im Zuge der Verhaftungswelle gegen Kommunisten im März 1933 wurde auch Dressels Wohnung durchsucht. Da er nicht anwesend war, wurde am 30.03.1933 stattdessen seine Frau Dora von den Nationalsozialisten in Geiselhaft genommen. Am 03.05.1933 wurde er selbst verhaftet, im KZ Dachau interniert und dort zu Tode geprügelt.
In der Schwäbischen Volkszeitung wandte sich Josef Felder gegen die NSDAP. 1924 trat er dem „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ bei, das die junge Demokratie gegen Angriffe von rechts und links verteidigte. 1929 wurde Felder in den Augsburger Stadtrat gewählt, 1932 in den Reichstag. Am 23.03.1933 stimmte er dort gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz. 1934 floh er ins Ausland, kehrte aber bald wieder nach Augsburg zurück. Er wurde verhaftet und bis 1936 im KZ Dachau interniert. Anschließend tauchte er bis zum Kriegsende 1945 in der Firma eines befreundeten Textilfabrikanten unter.
Nach der Übersiedelung von München nach Berlin veröffentlichte Lion Feuchtwanger 1930 den Roman „Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz“. Er schildert darin in satirischer Form den Aufstieg der Nationalsozialisten in Bayern. Hitler erscheint als feiger, aber ehrgeiziger Sprücheklopfer mit einstudierten Gesten. Seine Anhänger jubeln ihm in nationalistischer Schwärmerei zu. Nach der NS-Machtübernahme 1933 stürmte ein SA-Trupp Feuchtwangers Haus in Berlin, der zu diesem Zeitpunkt außer Landes war. Er kehrte nicht nach Deutschland zurück und ging über Frankreich in die USA ins Exil.
Nach dem Hitler-Putsch 1923 wandelte sich der politisch rechts stehende Fritz Gerlich zu einem NS-Gegner. Durch die Begegnung mit Therese von Konnersreuth wurde er zum Katholizismus bekehrt. Als Redakteur warnte Gerlich vor Hitler. Im Juli 1932 schrieb er: „Nationalsozialismus (...) bedeutet: Feindschaft mit den benachbarten Nationen, Gewaltherrschaft im Innern, Bürgerkrieg, Völkerkrieg. Nationalsozialismus heißt: Lüge, Haß, Brudermord und grenzenlose Not!“ Im März 1933 wurde Gerlich festgenommen, schwer misshandelt und anschließend 16 Monate interniert. Am 01.07.1934 wurde er im KZ Dachau ermordet.
Als Geschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelstages kritisierte Hamm das Wirtschaftsprogramm der NSDAP wiederholt scharf. Mit der Machtübernahme 1933 zog sich Hamm aus der Politik zurück. Von da an arbeitete er als Rechtsanwalt in München und Berlin und unterhielt Kontakte zu Widerstandskreisen. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Hamm am 02.09.1944 von der Gestapo verhaftet. Während des Verhörs soll er sich laut eines Gestapo-Beamten aus dem Fenster gestürzt und das Leben genommen haben. Die genauen Umstände seines Todes sind jedoch ungeklärt.
1924 wollte Wilhelm Hoegner im Bayerischen Landtag mit Hilfe eines Untersuchungsausschusses über den Hitler-Putsch das Versagen der Justiz gegenüber der NSDAP offenlegen. Doch die parlamentarische Mehrheit bremste ihn aus. 1930 zog Hoegner dann in den Reichstag ein, wo er am 23.03.1933 mit der SPD-Fraktion gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz stimmte. Im Bayerischen Landtag lehnte er am 29.04.1933 das Landesermächtigungsgesetz der NS-Regierung ab. Hoegner wurde anschließend verfolgt. Im Juli 1933 gelang ihm die Flucht nach Österreich, im Februar 1934 die Emigration in die Schweiz.
1924 gründete Karl Höltermann die Organisation „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“, 1930 die Schutzformationen des Reichsbanners zur Abwehr der Angriffe auf SPD-Veranstaltungen. Seit April 1932 gehörte er zu den Organisatoren der „Eisernen Front“, eines Zusammenschlusses von Gewerkschaften, SPD und anderer Verbände gegen die zunehmende Gefahr von rechts. Am 19.02.1933 hielt Höltermann seine letzte öffentliche Rede vor dem Berliner Schloss. Von der SA verfolgt, floh er im Mai 1933. Sein Weg führte über die Niederlande und das Saargebiet nach London.
Konrad Kübler trat 1912 dem Bayerischen Bauernbund bei. Für ihn saß er 1918 im Provisorischen Nationalrat in München sowie von 1919 bis 1933 im Stadtrat in Landau a.d. Isar und im Bezirkstag von Niederbayern. Kübler verteidigte die Demokratie und wurde 1926 Mitglied der Reichsleitung des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ und der „Eisernen Front“. Die Nationalsozialisten belegten ihn 1933 mit Berufsverbot und internierten ihn 1933/34 im KZ Dachau und nochmals 1944 im KZ Flossenbürg.
Als Pazifistin war Erika Mann Anfang 1932 wüsten Verleumdungen in der NS-Presse ausgesetzt. Sie erhob Klage und gewann den Prozess, doch die Angriffe gingen weiter. Gemeinsam mit Therese Giehse, ihrem Bruder Klaus Mann und dem Pianisten Magnus Henning gründete sie am 01.01.1933 das antifaschistische Kabarett „Die Pfeffermühle“ in München. Kurz nach der NS-Machtübernahme emigrierte die Familie Mann dann nach Südfrankreich, anschließend in die Schweiz. Im September 1933 nahm die „Pfeffermühle“ den Spielbetrieb in Zürich wieder auf.
Pater Rupert Mayer war bereits in den frühen 1920er-Jahren in München seelsorgerisch gegen den Nationalsozialismus aktiv. Nach der NS-Machtübernahme 1933 predigte er wiederholt gegen antikatholische Hetzkampagnen und die NS-Kirchenpolitik. Mehrfach erhielt er Redeverbot und wurde verhaftet. Mayer predigte stets unbeirrt weiter. Nach sieben Monaten in Isolationshaft im KZ Sachsenhausen kam er im April 1940 ins Kloster Ettal unter Hausarrest. 1945 kehrte er nach München zurück und spendete als Seelsorger erneut Hilfe für Notleidende.
Von 1920 bis 1933 setzte sich Toni Pfülf als Reichstagsabgeordnete für Frauenrechte und gegen die Todesstrafe ein. SPD und Gewerkschaften forderte sie zu einem entschlossenen Handeln gegen die Nationalsozialisten auf. Am 24.03.1933 stimmte Pfülf im Reichstag gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz. Den Mehrheitsbeschluss der SPD-Fraktion, am 17.05.1933 einer moderat formulierten Regierungserklärung Hitlers zur Außenpolitik zuzustimmen, kritisierte sie scharf. Nach der Rückkehr nach München nahm sie sich das Leben.
Der Eisenbahnlackierer Albert Roßhaupter wurde 1907 erstmals in den Bayerischen Landtag gewählt. Er arbeitete als Redakteur für verschiedene Zeitungen. Nach der Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg wurde er im November 1918 Mitglied des Provisorischen Nationalrats und Staatsminister für militärische Angelegenheiten in der Regierung von Kurt Eisner. Am 29.04.1933 begründete er als Fraktionsvorsitzender im Landtag die ablehnende Haltung der SPD zum Landesermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten. 1933/34 und 1944 wurde er im KZ Dachau inhaftiert.
Fritz Schäffer war seit 1920 Mitglied des Bayerischen Landtags. 1929 übernahm er den Vorsitz der BVP und wurde 1931 bayerischer Finanzminister. Von Reichspräsident Hindenburg forderte er 1932, dem Volk den „parteidiktatorischen Rechtsradikalismus zu ersparen“. Hitler geißelte er als Verursacher „der brutalen Macht und rücksichtslosen ... Niederknüppelung jeder … offenen Kritik.“ Um die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Bayern zu verhindern, wollte Schäffer 1933 vergebens Kronprinz Rupprecht zum Generalstaatskommissar machen, der vorübergehend die Regierungsgeschäfte übernehmen hätte übernehmen sollen. 1944 wurde er im KZ Dachau interniert.
Georg Stang wurde 1912 Landtagsabgeordneter und 1919 stellvertretender Fraktionsvorsitzender der BVP. Als die NSDAP-Fraktion am 17.06.1932 in SA-Braunhemden im Parlament erschien und so gegen das Uniformverbot verstieß, warf Stang sie als Landtagspräsident aus dem Sitzungssaal und schloss sie für mehrere Sitzungen aus dem Parlament aus. Nach der NS-Machtübernahme wurde Stang 1933 mehrmals in Schutzhaft genommen und 1944 mehrere Wochen im KZ Dachau interniert.
Nach dem Ersten Weltkrieg machte Karl Stützel Karriere im bayerischen Staatsdienst. 1924 wurde er Innenminister. In diesem Amt verhinderte er die Einbürgerung Hitlers in Bayern, setzte 1925 ein Redeverbot für Hitler durch und erließ 1930/32 wegen nationalsozialistischer Aufmärsche Uniformverbote. Nach der NS-Machtübernahme, der er sich aus Furcht vor gewaltsamen Auseinandersetzungen nicht mit letzter Entschlossenheit entgegenstellte, wurde er am 10.03.1933 verhaftet und schwer misshandelt. Danach lebte Karl Stützel zurückgezogen bis zu seinem Tod in München.