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Weidenberg früher und heute - ordne zu!

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Die „Schied“

Die „Schied“ um 1960 © Archiv VG Weidenberg / Foto: Georg Will
Die „Schied“ heute © Harald Olschner

Die „Schied“ oder „Schütt“ ist eine steile Treppe mit 127 Stufen. Sie verbindet auf kürzestem Wege den Untermarkt mit dem Obermarkt oder wie die Weidenberger sagen: die „Lindischen“ mit den „Märktischen“.

Woher die Treppe ihren Namen hat, weiß man nicht genau. Die eine Theorie besagt, es handle sich um eine Bezeichnung für „angeschüttetes Land“. Die andere geht davon aus, dass „Schied“ vom Verb „scheiden“ im Sinne von „trennen“ kommt. Die „Schied“ trenne also den Unter- vom Obermarkt.

Bis in die 1930-er Jahre war die „Schied“ zusammen mit dem etwas westlicher gelegenen „Reitweg“ die einzige Verbindung von Unter- und Obermarkt. Beide Wege waren jedoch für schwere Fuhrwerke ungeeignet. Das bedeutete für die Fuhrleute relativ lange Umwege. Aus diesem Grund wurde 1934 die „Neue Straße“ gebaut. Sie ist heute die wichtigste Verbindung der beiden Märkte.

Ältere Weidenberger erinnern sich noch lebhaft an die Rangeleien zwischen den Kindern, wenn die aus dem Untermarkt stammenden „Lindischen“ über die „Schied“ in das Territorium der „Märktischen“ eindrangen. Und dies war regelmäßig der Fall, mussten die „lindischen“ Kinder doch in die 1909 im Jugendstil errichtete Schule am Obermarkt.

Von der „Schied“ aus hat man einen guten Überblick über den Untermarkt, an dem sich entlang der Warmen Steinach noch in den 1960er Jahren zahlreiche Handwerksbetriebe befanden: Korbflechter, Bäcker, Maurer, Schneider, Wagner, also „alles, was mit Handwerk zu tun hatte“, wie eine Zeitzeugin es formulierte. Wo auf dem historischen Bild auf der rechten Seite noch Wiesen und Weiden zu sehen sind, befindet sich heute die in den 1980-er Jahren angelegte Siedlung am Königsheidering.

Alte Posthalterei

Die Alte Posthalterei nach 1959 © Archiv VG Weidenberg
So sieht die Alte Posthalterei heute aus. © Charlotte Neugebauer

Die „Alte Posthalterei“ war den Weidenbergern früher als Gasthaus „Zum schwarzen Ross“ bekannt. Das nach dem zweiten großen Brand am Obermarkt 1770 errichtete Gebäude beeindruckt auch heute noch mit seinen aufwendigen Fensterschürzen und dem großen Tor, durch welches einst Kutschen und Gespanne passten. Das Tor weist auf die ursprüngliche Funktion des zweigeschossigen Mansarddachbaus: Es war einst Pferdewechselstation an der Strecke von Seybothenreuth nach Fichtelberg. Die Eröffnung der Eisenbahnstrecke Bayreuth – Warmensteinach 1898 läutete jedoch das Ende des Postkutschenwesens in Weidenberg und dem Fichtelgebirge ein.

Die rund 250 Jahre alte Posthalterei steht heute, wie fast alle Häuser des Obermarkts, unter Denkmalschutz. Die Gestaltung der Fassade mit ihren Fensterschürzen ist eine Steinmetzarbeit, die im Wesentlichen nur in Bayreuth, Bindlach, Weidenberg und dessen umliegenden Dörfern vorkommt. Man bezeichnet sie als „Bauernbarock“.

Grund hierfür ist der Umzug der markgräflichen Residenz von Bayreuth nach Ansbach 1769. Die Bayreuther Steinmetze mussten sich nun neue Geschäftsfelder suchen. Diese fanden sie auch in Weidenberg. Denn nach dem Großbrand am Obermarkt 1770 mussten die Bürger nun Häuser aus Stein errichten, um erneuten Brandkatastrophen vorzubeugen.

Ehemaliger Edeka-Laden / Obermarkt, Obere Marktstraße

Der Edeka-Laden wohl Mitte der 1970-er Jahre © Archiv VG Weidenberg
Gekieste Einfahrt und renovierte Fassade: Nichts erinnert mehr an die ehemalige Edeka-Filiale. © Charlotte Neugebauer

Das historische Foto aus den 1970-er Jahren zeigt das ehemalige „Edeka“-Geschäft, das an einen klassischen „Tante-Emma-Laden“ erinnert.

Der Baum musste irgendwann Umbaumaßnahmen weichen. Wo einst der Vorgarten war, ist heute eine gepflasterte Stellfläche für Autos. Auch das Haus wurde hergerichtet und das Fundament aus Sandstein überputzt. Entscheidender jedoch ist der Wandel vom Geschäfts- zu einem reinen Wohnhaus, eine typische Veränderung für den Weidenberger Obermarkt. Einst war er pulsierendes Geschäfts- und Gewerbeviertel. Doch das Wirtschaftsleben verlagerte sich in den Untermarkt, wo heute auch das Industriegebiet liegt. Wie in vielen bayerischen Gemeinden verödete die Ortsmitte und wurde zu einem reinen Wohnviertel.

Mit dem Ende der kleinen Lebensmittelgeschäfte in den 1960er und 70er Jahren und dem Umzug des bis dahin einzigen Supermarktes an den Rand der Gemeinde waren die älteren Menschen nun ihrer wenigen verbliebenen Einkaufsmöglichkeiten beraubt. Diesen Missstand erkannte die Gemeinde. Seit 2018 gibt es wieder einen Discounter in der sogenannten „Neuen Mitte“.

Ehemalige Tankstelle Kießling / Obermarkt, Obere Marktstraße

Die Tankstelle Kießling in den 1930-er Jahren © Archiv VG Weidenberg / Foto: Gunter Kießling
An die Tankstelle Kießling erinnert heute nichts mehr. © Charlotte Neugebauer

Das historische Bild der Tankstelle Kießling zeigt die Gleichzeitigkeit von moderner Technik und traditionellem von der Landwirtschaft geprägtem Dasein in den 1930-er Jahren in Weidenberg: auf der einen Seite die Tankstelle, auf der anderen die nach Futter suchenden Hühner auf der ungepflasterten Straße zwischen den Hinterlassenschaften von Kühen oder Pferden. Eine schwarze Katze beobachtet die Szenerie, ohne befürchten zu müssen, von einem Auto überfahren zu werden. Viele Fahrzeuge scheinen die Obere Marktstraße im Jahr 1937 ohnehin nicht zu passieren. Johann Kießling im Sonntagsanzug kann also getrost einen Spaziergang mit der Enkelin mitten auf der Straße machen.

Wer vor dem schön renovierten und gepflegten Wohnhaus heute steht, käme wohl kaum auf die Idee, dass hier einst neben der Tankstelle noch eine Landwirtschaft, eine Schmiede, ein Fahrrad- und Nähmaschinenladen, eine Fahrschule und ein Autohändler ansässig waren.

Beide Fotos verdeutlichen die wirtschaftliche und räumliche Entwicklung der Marktgemeinde im 20. Jahrhundert. Der Obermarkt, einst gewerbliches, handwerkliches und merkantiles Herz der Gemeinde, wurde zum Wohnviertel. Industrie, Gewerbe und Handel zogen an den Untermarkt. Hier war nach dem Krieg mehr Platz für die expandieren Firmen, wie das Autohaus Kießling. Hinzu kommt, dass alte mit der Landwirtschaft verbundene Arbeiten weniger wurden und gar ausstarben. Berufe hingegen, die mit Mobilität zu tun haben, sind auch heute noch gefragt.

Ehemalige Bierwirtschaft Ponater, später Bäckerei Engelbrecht / Obere Marktstraße

Die Bierwirtschaft Ponater um 1920 © Archiv VG Weidenberg / Repro: Otto Pilz
Die Bierwirtschaft Ponater heute © Charlotte Neugebauer

Auf den ersten Blick hat sich das zweistöckige Sandsteingebäude wenig verändert. Erst auf den zweiten Blick wird der Wandel der langen Brau- und Backtradition, die es in Weidenberg wohl seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert gab, deutlich. Die historische Aufnahme zeigt die ehemalige Bierwirtschaft Martin Ponater wohl Ende der 1910er Jahre.

Martin Ponater, wie auf dem Wirtshausschild zu lesen ist, war um 1900 einer der noch zahlreichen Bierwirte mit zusätzlichen Bäckereirechten. Gesichert ist das Braurecht in Weidenberg seit 1828, als die Gemeinde ein Kommunbrauhaus einrichtete und jedem Hausbesitzer ein Braurecht zugestand. Kommunbrauern war nur der Ausschank des selbst gebrauten Biers in ihrer Gaststube erlaubt. Sie mussten ihren Ertrag bei der Gemeinde versteuern und zum Unterhalt des Brauhauses beitragen.

Die auf dem historischen Foto abgebildeten Fässer wurden von den vier örtlichen Büttnereien hergestellt. Mehrere Mälzereien versorgten um 1900 die ca. 15 Kommunbrauer mit Malz. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und mit Einführung des Biersteuergesetzes 1919 erlebte die Kommunbrauerei ihren Niedergang. Die Gemeinde verkaufte das Kommunbrauhaus schließlich 1954.

Zu dieser Zeit war aus der Bierwirtschaft Ponater die Bäckerei Engelbrecht geworden, was noch am großen Schaufenster zu erkennen ist. Bedeutsam war die Bäckerei für die „Weidenberger Chorschüler“, dem Kinderchor der evangelischen Kirche. Nach ihrem Auftritt bei Trauungen oder Beerdigungen erhielten die Kinder ein kleines Taschengeld, das viele in die Zuckerbrezeln der Bäckerei Engelbrecht investierten. Doch auch die Bäckerei und den Kinderchor gibt es heute nicht mehr.

Übrigens: 1920 wurde in der Bierwirtschaft Ponater der SV Weidenberg gegründet. Das Vereinsziel war die Förderung einer damals noch exotischen Sportart namens Fußball.

Anwesen der Mühlenbauerfamilie Hagen / Untermarkt, Bahnhofstraße

Das Anwesen der Mühlenbauerfamilie Hagen in den 1920-er Jahren © Archiv VG Weidenberg / Repro: Otto Pilz
Kaum wiederzuerkennen: das Gebäude der Mühlebauerfamilie Hagen heute © Annika Löhr

Stark verändert hat sich das Anwesen der Familie Hagen, der letzten „Mühlenarzt-Familie“ von Weidenberg am Ausgang des Untermarkts kurz vor dem Bahnübergang. Vor dem Haus mit den eindrücklichen Schweifgiebeln und der mit Wellblech gedeckten Werkstatt posieren ein Junge und eine junge Frau wohl in den 1920-er Jahren.

Neben der für Weidenberg untypischen, fast städtisch wirkenden Fassadengestaltung des Anwesens fällt der riesige Dachständer für Telefon und Telegrafie auf. Denn das Gebäude beherbergte auch die örtliche Poststation. Seit 1870 gab es die Telegrafenlinie Bayreuth-Weidenberg. In den 1920-er Jahren begann dann der Siegeszug des Telefons in Bayern, wenngleich zunächst für die Geschäftswelt. Privatanschlüsse waren bis in die 1960-er Jahre eine Seltenheit.

Die eigenwillige Architektur und die Größe des Gebäudes weisen auf die ehemalige große Bedeutung der sogenannten „Mühlenärzte“ hin. Gemeint ist damit das Handwerk des Mühlenbauers, das im Tal der Warmen Steinach mit ihren vielen und vielfältigen Mühlen bis in die 1950er Jahre gefragt war. „Mühlenärzte“ stellten Wasserräder für Mühlen her. Sie waren für den Bau und die Wartung der Kammräder, die die Wasserkraft auf den Mühlstein übertrugen, sowie das Schärfen der Mahlsteine zuständig.

Die zahlreichen kleinen Wasserwerke, Glas- und Spiegelglasschleifereien, Säge-, Loh-, und Kunstmühlen entlang der Warmen Steinach rentierten sich in der Nachkriegszeit nicht mehr. Sie wurden aufgegeben oder stellten auf Turbinentechnik um. Mit dem Tod des letzten Mühlenbauers aus Weidenberg, des Altbürgermeisters Hagen 1965, starb auch dieser seltene Handwerksberuf aus.

Alte Apotheke / Obermarkt, Rathausplatz Nr. 9

Die Alte Apotheke nach 1920 © Archiv VG Weidenberg
Fast wie damals: das Gebäude der Alten Apotheke heute © Charlotte Neugebauer

Stolz präsentiert vermutlich der Weidenberger Apotheker Gustav Schütz einen seiner Sprösslinge. Hinter ihm befindet sich die Apotheke, die Schütz im März 1921 übernommen hatte.

Das 1836 fertig gestellte hübsche Eckhaus aus Sandsteinquadern, über dessen Eingang unter den ungewöhnlichen Zwillingsfenstern heute der Schriftzug „Alte Apotheke“ zu lesen ist, hatte sogar einen eigenen Heilkräutergarten hinter dem Haus. Um sich ein Zubrot zu verdienen, sammelten ärmere Weidenberger zudem Heilkräuter in der Umgebung, die in der Apotheke weiterverarbeitet wurden. Diese erste Apotheke Weidenbergs wurde bis 1959 genutzt.

Heute beherbergt das aufwendig hergerichtete Gebäude Gemeinde- und Privatwohnräume. Wer direkt davorsteht, dem fallen sofort die Einschusslöcher eines amerikanischen Panzers vom April 1945 auf. Dies waren glücklicherweise die einzigen Gebäudeschäden in Weidenberg in der Endphase des für andere Orte äußerst verlustreichen Zweiten Weltkriegs. Ferner erkennt man die 1937 erfolgte Erweiterung des einst zweigeschossigen Baus um ein weiteres Stockwerk, um attraktiven Wohnraum zu schaffen. Ein imposanter und in die Jahre gekommener Weinstock ziert die Westseite des Gebäudes. Ob es sich um denselben handelt, der auf der historischen Fotografie zu sehen ist, war nicht zu ermitteln.

Auch wenn das Gebäude heute nicht mehr als Apotheke genutzt wird, muss auf pharmazeutischen Beistand in Weidenberg niemand verzichten. Hermann Schütz, der Sohn von Gustav Schütz, kaufte Ende der 1950-er Jahre die „Alte Schmiede Vogler“ am Untermarkt. Diese musste 1959 jedoch einem Neubau weichen. In dem befindet sich heute die Apotheke von Georg Schütz, der nun in dritter Generation die Weidenberger mit Medikamenten versorgt. Seit 1987 gibt es zudem in Weidenberg noch die „Franken Apotheke“.

Ehemalige Metzgerei Eschbach / Obermarkt, Obere Marktstraße

Die Metzgerei Eschbach nach 1961 © Archiv VG Weidenberg
Das Gebäude der ehemaligen Metzgerei Eschbach erinnert noch heute an seine einstige Funktion. © Charlotte Neugebauer

Das Gebäude am Obermarkt verschleiert seine gewerbliche Vergangenheit keinesfalls. Schaufensterfront und Glasbetonsteine weisen eindeutig auf ein Ladengeschäft mit Produktionsräumen hin. Betrachtet man das historische Foto, wird rasch klar, dort befand sich einst „Heinrich Eschbachs - Fleisch u. Wurstwaren“.

Bereits auf dem nach 1961 entstandenen Foto sind erste Umbauten des wohl nach dem Brand von 1770 errichteten repräsentativen Sandsteinbaus zu erkennen. Die Symmetrie der Fassade ist durch die im Geist der Zeit erfolgte Modernisierung bereits aufgelöst. Vermutlich sollte sie das Ladengeschäft für Kunden attraktiver machen. Dass das Geschäft in der Zeit nach der Aufnahme von 1961 noch florierte, zeigen die späteren Umbaumaßnahmen, deren Relikte auf dem aktuellen Foto noch erkennbar sind. Offenbar wurde das Ladengeschäft erweitert. Wo sich auf dem historischen Foto im Erdgeschoss links noch Wohnräume befinden, wurde die Metzgerei eingebaut. Aus dem Laden wurde die Produktionsstätte für Fleisch und Wurst. Der Ausbau des Dachgeschosses schuf zusätzlichen Wohnraum.

Dennoch: Die Metzgerei konnte sich nicht halten und ist nun – wie viele der Häuser auf dem Obermarkt – ein reines Wohnhaus. Daher kann man nun im Schaufenster statt fränkischer Wurstspezialitäten üppig blühende Zimmerpflanzen bewundern.

Trotz der vielen baulichen Veränderungen ist ein Charakteristikum erhalten geblieben: die für den Obermarkt und die Region typischen Fensterschürzen. Auf dem historischen Foto sind sie nicht auf den ersten Blick zu erkennen, da Kränze und Fähnchen sie verdecken. Dieser Schmuck legt nahe, dass das Bild zur Zeit des Weidenberger Wiesenfestes entstanden ist, das 1862 zum ersten Mal stattgefunden haben soll. Anlässlich des hierzu stattfindenden Festzuges schmückte man traditionell die Häuserfassaden, wie auf dem historischen Bild.

Brunnen am Obermarkt / Obere Marktstraße, Ecke Alte Bayreuther Straße

Der Brunnen am Obermarkt 1930 © Archiv VG Weidenberg
Der Brunnen scheint heute aus der Zeit gefallen. Der Baum fehlt und das Haus dahinter ist modernisiert. © Charlotte Neugebauer

Das Schwarzweißfoto von 1930 wirkt wie ein Idyll: eine Gruppe Kinder, eine Frau am Brunnen und zwei Männer, die einen Plausch halten. Die mächtige Kastanie, die die Szenerie überschattet, gibt der Bildkomposition Tiefe.

Doch das Bild legt vielmehr Zeugnis davon ab, wie viel beschwerlicher der Alltag in den 1930-er Jahren war als heute. Die drei Jungen sind mit Transportarbeiten beschäftigt. Arbeitsschürze und Dienstmütze machen deutlich: Die Kinder wollten als erwachsen gelten und verstanden sich als Teil der arbeitenden Bevölkerung. Es war damals keine Seltenheit, dass Kinder kräftig zuhause mit anpacken mussten, vor allem, wenn die Eltern Landwirte waren. Dass die Kinder im zeitigen Frühjahr bereits barfuß sind, liegt daran, dass am Schuhwerk gespart werden musste.

Die öffentlichen Brunnen dienten der Wasserversorgung, zu sehen an der Frau, die wohl Wasser abfüllt. Der hier abgebildete Brunnen ist der oberste von drei identischen Granitbrunnen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts installiert wurden. Weidenberg verfügte bereits 1900 über ein recht gut ausgebautes öffentliches Wasserleitungssystem. Doch erst in den 1960-er Jahren hatte jeder Haushalt seinen eigenen Wasseranschluss. Die Brunnen stehen heute unter Ensembleschutz und werden in der Osterzeit wunderschön geschmückt.

Weidenberg Obermarkt, Wolfskehle

Die Wolfskehle in den 1940-er/50-er Jahren © Archiv VG Weidenberg
Die Wolfskehle heute © Annika Löhr

Beide Fotos zeigen die Wolfskehle und geben den Blick auf den Obermarkt von Weidenberg frei. Linker Hand ist das ehemalige Lebensmittelgeschäft Sack in der Kantorsgasse zu sehen und rechts oben das auf dem Gurtstein thronende Gotteshaus St. Michael, wie es sich dort seit 1771 präsentiert. Noch immer ist die Kirche von den Sandsteinhäusern umgeben, die allesamt nach dem Brand von 1770 errichtet wurden. Viel scheint sich in den 70 Jahren, die zwischen beiden Bildern liegen, nicht verändert zu haben, abgesehen von den Photovoltaikanlagen, der geteerten Straße, den Retrostraßenlampen und dem fehlenden gefachten Wohnstallgebäude auf der rechten Seite.

Auf den zweiten Blick allerdings sind durchaus Veränderungen erkennbar. Die Kraxenträgerin könnte auf dem Weg zum Bäcker gewesen sein, um die Abwärme des Ofens für das Backen des daheim selbst hergestellten Teigs zu nutzen. Die Teiglinge hatte sie wohl vorher in Körbe gelegt, die in die Kraxe eingepasst wurden. Auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg war dies durchaus üblich. Einen Herd mit Backofen konnten sich damals nur wenige leisten, genauso wie täglich beim Bäcker gekaufte Backwaren.

Zumindest eines der drei Mädchen ist eine Schülerin, vielleicht auf dem Nachhauseweg. Am Obermarkt wurden vierzig Kinder und mehr in einem Klassenraum unterrichtet. Heute besuchen Schulkinder in relativ kleinen Klassen die Verbandsschule oder weiterführende Schulen in Bayreuth. Der Transport erfolgt mit dem Bus, dem Zug, mit dem Fahrrad oder dem Elterntaxi. Zu Fuß kommt nur noch eine Minderheit zur Schule.

Bauernhof Kolb / Obermarkt, Grundelgraben/Ecke Wolfskehle, ehemals Nr. 39

Der Bauernhof der Familie Kolb nach 1955 © Archiv VG Weidenberg
Nichts erinnert heute mehr an das Bauernhaus der Familie Kolb. © Annika Löhr

Wo einst ein kleines Wohnstallhaus mit Sandsteinunterbau, Fachwerkgiebel und unsymmetrischem „Frackdach“ stand, befindet sich heute eine Grünfläche mit Bäumen. Das auf dem historischen Foto schief wirkende „Kolb-Haus“, das wegen seiner verschiedenen Vorbesitzer auch „Schöpf-Haus“ und „Hirsch-Haus“ geheißen hatte, lugte bis Ende der 1960-er Jahre zwischen dem ehemaligen Distriktkrankenhaus und Wohnhäusern hervor. Es verkörperte einen Bauernhaustyp, der im 18. und 19. Jahrhundert in Oberfranken vielerorts zu sehen war.

Doch so schmal das Haus auch wirken mag, es ändert nichts an seiner einstigen Bedeutung für den Ort. Die Familie Kolb, der das Anwesen gehörte, besaß drei Kühe und versorgte Weidenberg mit ihrer selbsthergestellten Butter. Eine 85-jährige Weidenbergerin erinnerte sich im November 2018 noch lebhaft daran, wie sie sich als Kind in den ausgehenden 1930er und beginnenden 1940er Jahren auf den Weg machte, um die Butter abzuholen. Die Bäuerin verpackte die frische Butter nicht etwa in Papier, sondern in die großen Blätter vom Kren oder Meerrettich. Eine ökologische und auch nachhaltige Lösung, die heute allerdings an diversen Hygienevorschriften scheitern dürfte.

Doch im Laufe der Zeit rentierten sich die bäuerlichen Kleinbetriebe nicht mehr. Der letzte Besitzer wollte sich vergrößern und siedelte er aus. Das baufällig gewordene wohl letzte Fachwerkhaus der Marktgemeinde, das zwischen 1871 und 1900 sogar als provisorisches Armenhaus gedient hatte, galt in den modernisierungsbegeisterten 1960-er Jahren als Schandfleck und als unbedeutendes Relikt einer überwundenen Zeit. So wurde es Anfang der 1970-er Jahre abgerissen.

„Schnorr-Haus“ / Untermarkt, Lindenstraße

Das „Schnorr-Haus“ wohl in den 1960-er Jahren © Archiv VG Weidenberg
Das „Schnorr-Haus“ heute © Annika Löhr

Am Untermarkt steht das „Schnorr-Haus“, ein noch heute beeindruckendes dreistöckiges Mansarddachgebäude, das sich kaum verändert hat. Elias Schnorr ließ es vermutlich nach dem Brand des Untermarkts 1750 als repräsentative Wohnstätte für sich errichten. Schnorr muss außerordentlich wohlhabend gewesen sein, da der Bau eines solch großbürgerlichen Palais im 18. Jahrhundert nur wenigen möglich war. Als „Hochfürstlicher Brandenburgischer Zoll- und Steuereinnehmer sowie Flößerverwalter“ stand er als Beamter in Diensten des Markgrafen. Außerdem war er frühindustrieller Unternehmer und bürgerlicher Großgrundbesitzer. In die Weidenberger Geschichte ging er als großherziger Stifter ein, der mit einem Legat für die Bildung armer Weidenberger Kinder sorgte, die dafür als „Weidenberger Chorschüler“ die Gottesdienste mit ihrem Gesang feierlich umrahmen mussten.

Dieser vermutlich recht tüchtige und auch findige Schnorr hat aber nichts mit dem Dialektausdruck „auf die Schnorr gehen“, zu tun. Die noch in den 1950-er Jahren übliche Wendung bedeutet „flirten“.

Im Laufe der Zeit wechselte das Gebäude, das heute immer noch nach seinem Erbauer „Schnorr-Haus“ genannt wird, mehrfach den Besitzer und auch die Nutzung. Ab 1914 konnten die Weidenberger dort „Kolonialwaren en detail“, also Zucker, Tee, Kaffee, Kakao, Tabak, Gewürze und Reis kaufen. 1928 ließ man sich dort medizinisch versorgen. Und in den 1960-er Jahren, zur Zeit der Entstehung des Fotos, war darin die Kreissparkasse untergebracht. Heute befinden sich in dem großzügigen Haus Wohnungen und Büroräume.

Bierwirtschaft Ernst Vogel / Obermarkt, Rathausplatz

Die Bierwirtschaft Vogel um 1930 © Archiv VG Weidenberg / Repro: Otto Pilz
Die ehemalige Bierwirtschaft Vogel mit parkenden Autos heute © Charlotte Neugebauer

Das Foto aus den 1930-er Jahren zeigt das Haus der Familie Vogel mit einigen Familienmitgliedern. Wie auf dem an der Giebelseite angebrachten Schild zu lesen ist, betrieb die Familie eine Bierwirtschaft. Die Bierwirtschaft Ernst Vogel lag direkt neben denen von Martin Ponater und Johann Lochmüller. Nur wenige Schritte entfernt gab es auch zwei Gasthäuser, das „Zum Goldenen Lamm“ und das „Zum Schwarzen Roß“. Eine für heutige Verhältnisse große Dichte an Lokalen. Allerdings war der Bierkonsum früher höher als heute.

Der Bierwirt Ernst Vogel gehörte zu den Kommunbrauern und durfte das im Brauhaus der Gemeinde hergestellte Bier ausschenken. In den 1930-er Jahren war Vogel allerdings einer der letzten drei Brauer, die das Brauhaus noch nutzten.

Das große und mit Fensterschürzen verzierte Haus vereinte einst mehrere Zwecke unter einem Dach: Neben den Gasträumen im Erdgeschoss hatte der 1868 gegründete Gesangverein Weidenberg im ersten Stock seinen Raum, das sogenannte „Sängerstübla“, wo bis in die 1970-er Jahre eifrig geprobt wurde. Das Dachgeschoss beherbergte Gästezimmer, die bis zur Deutschen Wiedervereinigung 1990 bei vielen Westberlinern beliebt waren. Außerdem gab es einen großen Festsaal, allerdings mit einer unrühmlichen Vergangenheit. Im Februar 1929 wurde dort die Weidenberger NSDAP-Ortsgruppe mit 17 Mitgliedern gegründet. Während der NS-Herrschaft wurde der Platz vor dem Gasthaus regelmäßig für Aufmärsche und Propagandaveranstaltungen genutzt.

Der Gastronomiebetrieb ist heute eingestellt, die Bierwirtschaft Vogel Geschichte. Von den zahlreichen Traditionslokalen, die den Obermarkt prägten, ist nur noch die Gaststätte Schöffel in der Oberen Marktstraße geblieben. Seit vielen Jahren bietet sie griechische Spezialitäten an. So werden neue Traditionen geschaffen.

Übrigens: Das Gebäude diente mehrmals als Filmkulisse, so für Oliver Hirschbiegels Film „Elser – er hätte die Welt verändert“ und für Marcus H. Rosenmüllers „Die Permutterfarbe“. Die Filmemacher schätzten das geschlossene Ensemble des Obermarktes.



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